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Berliner Erklärung 1990 der Initiative „Kirche von unten“

 ■ D O K U M E N T A T I O N

Die katholische Kirche steht vor der Entscheidung. Entweder sie verharrt in ihren autoritären, patriarchalisch -hierarchischen Strukturen und verliert damit weiter an Glaubwürdigkeit und Mitgliedern, oder sie erneuert sich aus dem kritischen und befreienden Potential jüdisch -christlicher Tradition und stellt sich erneut den Hoffnungen und Freuden, der Trauer und der Angst der Menschen von heute.

Kirche und Wahrheit:

Bei der Wahrheitsfindung, zum Beispiel bei der Formulierung von Hirtenbriefen und Enzykliken muß neben den Meinungen der Fachtheologen und kirchlichen Amtsträger auch der Glaubenssinn aller, das heißt Wissen und die Erfahrung der Christinnen und Christen berücksichtigt werden. (...)

Die Klassengesellschaft von Priestern, die meinen, die Wahrheit allein zu besitzen, und von Laien, denen die Wahrheit vorgelegt wird, widerspricht dem biblischen Zeugnis vom allgemeinen Priestertum der Getauften.

Kirche und Moral:

Die Moral der Kirche kann nicht menschenfeindlich sein und darf sich nicht auf Angst gründen. Christinnen und Christen haben das Recht auf freie Gewissensentscheidung und eine entsprechende Lebensgestaltung. Wenn die Kirche nicht die Moral der Politik einklagt, zum Beispiel in den Fragen der Abrüstung, der Umweltzerstörung und der internationalen Schuldenkrise, wird sie selbst schuldig. Die sittliche Beurteilung von Ehe, Familie und Sexualität muß aus der verengten Sicht eines zölibatären Klerus gelöst werden. Papst und Bischöfe müssen die Gewissensentscheidung wiederverheirateter Geschiedener, Homosexueller, verheirateter Priester achten und sie uneingeschränkt am kirchlichen Leben teilnehmen lassen.

Kirche und Männerherrschaft:

Frauen machen deutlich, daß sie ebenso wie die Männer Abbild Gottes sind. (...) Frauen müssen zum Priesteramt zugelassen werden. (...) Dazu gehört auch die Berufung von Frauen auf theologische Lehrstühle.

Aufbruch:

Wenn Christinnen und Christen in der gegenwärtigen Krise der Kirche aus Opportunismus, Mutlosigkeit oder Oberflächlichkeit schweigen, machen sie sich mitschuldig. (...) Wenn kirchliche Amtsträger die Sache Jesu verraten, ist Widerstand geboten. Ohne Konflikte gibt es keine Erneuerung. Weltweit wollen Katholikinnen und Katholiken einen tiefgreifenden Wandel der Kirche. Sie und wir wollen eine neue, menschliche Kirche im Geist der befreienden Botschaft des Jesus von Nazareth.

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