Berliner Demo gegen Rechts: "Kein Gewalterlebnispark für Nazis"
Rund 5.000 kommen zum Protest gegen den Nazi-Übergriff vom vergangenen Sonntag. Antifaschismus scheint an diesem Abend fast selbstverständlich zu sein.
BERLIN taz | Es sind viele. Und sie sind schnell. 5.000 Menschen ziehen bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus am Samtagsabend im Laufschritt im Zickzack durch Friedrichshain. Gekommen sind wirklich alle, die etwas gegen Nazis haben - Kiezbewohner, AntifaschistInnen, Parteien, Alte und Junge. An diesem Abend erscheint Antifaschismus als Selbstverständlichkeit. Fast schon beleidigt reagierten viele auf die Frage, warum sie gekommen sind. Es gehe gegen Nazis - das sei doch wohl klar.
Viele hat der Mordversuch am vergangenen Sonntag aufgerüttelt. Nach einer Schlägerei zwischen Linken und Rechten, misshandelten vier einschlägig bekannte Neonazis einen 22-Jährigen schwer. Die Demonstranten möchten Nazis in ihrem Kiez nicht hinnehmen und fordern die Aufklärung der Tat.
"Das hier ist ein bunter Haufen und wir gehören dazu", sagen die Studenten Fernando L. und Cyril P.. Es sei gut, dass "viele Leute ohne schwarze Regenjacke gekommen sind". Eins störe sie aber doch: "Es ist ätzend, dass es heißt, die Gewalt zwischen Linken und Rechten schaukele sich hoch". Dass sei nicht der Fall, für sie ist klar: "Die brutalen Übergriffe gehen hier von Nazis aus".
In den Redebeiträgen beziehen sich die Veranstalter der Demo nicht nur auf den Vorfall vom 12. Juli. "Tromsö", der neue "Thor Steinar"-Laden in der Nähe des Bersarinplatzes, ist genau so Thema, wie rechte Übergriffe im Bezirk an sich.
Im Fokus der Kritik aber steht die Diskothek Jeton. Sie biete Rechten einen Rückzugsraum für Übergriffe, meinten die Veranstalter. Die Antifa Friedrichshain zählte in den letzten drei Jahren elf gewälttätige Übergriffe zwischen Jeton und S-Bahnhof Frankfurter Allee. Und fordert: "Dieser Ort darf kein Gewalterlebnispark für Nazis sein".
Laut Polizeiauflage soll die Demo auf der linken Seite der Frankfurter Allee bleiben. Doch die 300 Anhänger des Schwarzen Blockes an der Demospitze zieht es nach rechts - dort liegt das Jeton. Nach einer kurzen und heftigen Auseinandersetzung mit der Polizei können sie doch auf der ganzen Straße laufen. "Um eine Eskalation und Verletzte zu verhindern", erklärt Polizeisprecher Klaus Schubert später.
Die Demo ist bis zum S-Bahnhof Frankfurter Allee angemeldet - dem Tatort, einige hundert Meter vom Jeton entfernt. Doch dort bewegt sich keiner weiter. Es seien "schon einige Mittel legitim um den Laden zu schließen", sagt Walter S.. Dabei geht der 42-Jährige oft nicht mit der Antifa konform. Denn "es funktioniert auch friedlich".
Am Samstag bleibt der große Stress aus. Eine Flasche fliegt in Richtung Jeton, das mit sechs Polizeibussen, zwei Hundezwingerwagen, zwei Wasserwerfern und Greiftrupps der Polizei gut abgeriegelt ist. Anderthalb Stunden nachdem der Veranstalter die Demonstration aufgelöst hat, kann die Polizei die übriggebliebenen Teilnehmer zum gehen bewegen. Insgesamt werden zehn Protestierende festgenommen, unter anderem wegen Landfriedensbruch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“