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Berlin schwitzt (I)Bäume kriegen Sonnenbrand

Die sommerliche Hitze macht auch dem Stadtgrün zu schaffen: Grünflächenämter kommen mit dem Wässern der Bäume gar nicht mehr nach. Bezirke bitten AnwohnerInnen um Mitarbeit.

Auch er hätte nun viel Zeit zum gemeinnützigen Gießen: Ex-Bundespräsident Horst Köhler, hier in einer Berliner Kita im vergangenen Jahr. Bild: AP

Ein kleiner Feldweg am Rande des S-Bahnhofs Südkreuz: Rund 20 junge, vertrocknete Kirsch-und Buchenbäume stehen am Hang. "Wenn man weiss, dass ein Kirschbaum etwa 500 Euro kostet, dann kann man hochrechnen, das hier mehrere tausend Euro buchstäblich in den Sand gesetzt wurden", sagt Christian Hönig, Baumexperte der Naturschutzorganisation BUND. Seit drei Jahren kritisiert der BUND die spärlichen Pflegemaßnahmen, aber die Deutsche Bahn, die für die Begrünung der Fläche zuständig ist, sieht das anders. "Es gibt um den Bahnhof Südkreuz keine Brachflächen im Eigentum der Bahn", erklärt eine Unternehmenssprecherin lapidar. Die Bäume würden regelmäßig gegossen.

Überall in der Stadt gleichen sich die Bilder: Im Nelly-Sachs-Park in Schöneberg werfen die Bäume ihre Blätter ab, ebenso an der Spree gegenüber des Berliner Doms - oder am Landwehrkanal in Kreuzberg. "Die Bäume werfen ihre Blätter ab, damit die Feuchtigkeit näher am Stamm gespeichert wird", erklärt Hönig. Die Sonneneinstrahlung mache die Rinden trocken und rissig. "Das ist wie ein Sonnenbrand." Die Grünflächenämter der Bezirke kommen mit dem Gießen kaum hinterher. "Wir sind an unserer Kapazitätsgrenze", sagt zum Beispiel Dagmar Elbrandt vom Grünflächen-und Tiefbauamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Am wichtigsten sei es, vor allem die Jungbäume mit ihrem noch kurzem Wurzelwerk zu wässern.

Jeden Tag sind also die Wasserwagen der Grünflächenämter unterwegs, und verschenken, etwa in Mitte, pro Tag knapp 16.000 Liter Wasser an Bäume und Sträucher. "Die Wiesen und Mittelfelder auf den Fahrbahnen werden aber ausgespart, weil sich das kaum noch lohnt", sagt Heinz-Gottfried Walter von Grünflächenamt Mitte. Das trockene Gras werde von allein wieder grün, wenn es zum Herbst hin feuchter werde. Ob das aber auch die Bäume auf den Mittelstreifen schafften, sei fraglich.

Auf größeren Grünflächen und in Parks sieht die Versorgung laut Walteranders aus. Sie würden mit eigenen Tiefbrunnen gewässert. Im Tiergarten und am Platz der Republik bediene man sich des Wassers aus dem Landwehrkanal, erklärt er. Dieses werde mit einem eigenen Pumpwerk zu den Bäumen befördert. Anders sei das auch gar nicht zu bewältigen. Außerdem experimentiert man in Mitte gerade mit wasserspeichernden Substraten. Das seien "industriell gefertigte, aber mineralische Substrate mit hoher Wasserkraft, die sich wie Schwämme vollsaugen", erklärt Wolfgang Leder, Fachbereichsleiter Straßenbaupflege im Bezirksamt Mitte.

Noch ist das Zukunftsmusik. Deshalb hofft der Senat auf die Hilfe der BürgerInnen. Das Grünflächenamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat kleine Zettelchen an den Bäumen ("Ich bin ein Jungbaum, bitte wässer mich!") angebracht - wie in den Jahren zuvor. Dieser Sommer sei allerdings eine besondere Herausforderung, sagt Bezirksmitarbeiterin Elbrandt - für die wässernden Mitarbeiter und für die durstigen Bäume. Trotzdem könne man das Austrocknen der Bäume nicht verhindern, etwa am Mittelstreifen auf dem Spandauer Damm. Unter der Fahrbahn seien Fernwärmerohre untergebracht, die Wurzeln könnten dadurch nicht ausreichend wachsen. Deshalb müsse sich das Grünflächenamt Charlottenburg-Wilmersdorf für die nächsten Jahre auch überlegen, "ob und wie die Nachpflanzung" geschehen soll.

Anwohner sollen gießen

Bereits gepflanzten junge Bäume, erkennbar an den seitlichen Stützplöcken, haben es momentan besonders schwer: Ihr Wurzelwerk reicht nur bis zu zwei Metern in die Tiefe, zu wenig um an die Erdfeuchte zu gelangen. Hönig vom BUND moniert zudem, dass die Jungbäume mit dem billigsten Boden bepflanzt würden. Dieser enthalte meist Sand, der das Wasser nicht speichern kann.

Die AnwohnerInnen mit dem Giessen der Jungbäume zu betrauen ist dem Baumexperten ebenfalls ein Dorn im Auge. Die Abwälzung der Plichten der Verwaltung auf die BürgerInnen sei nicht hinnehmbar. "Am Grün wird in der Stadt schnell gespart. Es gehört zu den Aufgaben der Verwaltung, das Stadtgrün zu sichern und zu pflegen,", so Hönig. Trotzdem rät auch der BUND "punktuell" dazu, Bäume zu gissen, wenn es dringend nötig ist. Zwei bis drei Zehn-Liter-Eimer voll Wasser sollten es schon sein - so lange es nicht in der prallen Mittagssonne geschieht, wenn die Hälfte des Wassers durch die Hitze sogleich verdunstet.

Sprengen am Mittag

Im Görlitzer Park wird allerdings trotzdem zur Mitagszeit munter gesprengt - obwohl sich Anwohner beklagen, dass die Blätter der Bäume dadurch verbrennen. Hilmar Schädel, Leiter des Fachbereichs Grünflächen und Naturschutz im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, lässt "lieber ein paar Blätter verbrennen, als dass der Baum vertrocknet". Die Arbeitszeiten der privaten Gartenbaufirmen seien schuld: Deren Beschäftigte seien nur von 6 bis 14.30 Uhr im Park. Und abends oder nachts sprengen? Da kann auch der Fachbereichsleiter "nichts machen". Die Arbeitszeiten würden von den Firmen vorgegeben.

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