Berlin bekommt Staatstrojaner: Polizei schnüffelt bald online
Der Senat ordert eine Software zum Aushorchen von Internettelefonaten. Die Piraten bezweifeln, dass diese nur verfassungskonform einsetzbar ist.
Die Berliner Polizei soll etwas bekommen, was es nach Ansicht der Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus gar nicht geben kann: eine Software zur verfassungskonformen Überwachung von Internettelefonaten. Wie Innensenator Frank Henkel (CDU) am Donnerstagabend vor dem Abgeordnetenhaus bestätigte, hat das Land Berlin das Unternehmen Syborg damit beauftragt, die existierende Anlage zur Telekommunikationsüberwachung so zu erweitern, dass die Polizei künftig nicht nur Festnetz- und Handytelefonate, sondern auch Gespräche über Programme wie Skype abhören kann. "Damit ist der nächste Überwachungsskandal vorprogrammiert", sagte der innenpolitische Sprecher der Piraten-Fraktion, Christopher Lauer.
Mitglieder des Chaos Computer Clubs (CCC) hatten im vergangenen Jahr eine Software zur Überwachung von Internettelefonaten analysiert, die von mehreren Bundesländern verwendet wird. Dabei stellten sie erhebliche Mängel fest. Die vom Bundesverfassungsgericht verlangte strikte Begrenzung der Computerausspähung von Telefonaten sei damit keinesfalls gewährleistet. Es sei nicht auszuschließen, dass mit dem Programm die Bildschirme der Überwachten unerlaubt fotografiert oder aber gefälschte Beweise auf deren Festplatten kopiert würden. "Das ist ein Informatikproblem", sagte Pirat Lauer der taz: "Keine Firma dieser Welt kann eine Software programmieren, deren Anwendung sich auf das beschränkt, was das Bundesverfassungsgericht erlaubt hat."
Ob seine Firma so etwas doch kann, wollte der Geschäftsführer des vom Land beauftragten Unternehmens Syborg Informationssysteme, Robert Lander, nicht sagen: Er verweigerte gegenüber der taz jeglichen Kommentar. Die vom CCC kritisierte Software hatte Digitask, ein anderes Unternehmen, unter anderem an das Land Bayern geliefert.
Innensenator Henkel glaubt, dass der Auftrag bei Syborg in guten Händen ist. Der Hersteller habe zugesichert, dass sein Programm lediglich Daten aus Telefonaten abzapfe. Das Landeskriminalamt habe dies bereits getestet. Bisher habe sich Berlin lediglich einmal der Internettelefonüberwachung zu bedienen versucht: Damals wollte der Landesverfassungsschutz einen Trojaner nutzen, den eine andere Verfassungsschutzbehörde auf den Rechner eines Verdächtigten geschleust hatte. Am Ende seien in dem Fall aber doch keine Daten erhoben worden. Die Gründe dafür nannte Henkel nicht. Mit dem heimlichen Ausspähen von Computern haben die Berliner Ermittlungsbehörden also bislang keine Erfahrung.
Das soll nach Ansicht der Piraten so bleiben. Sollte Berlin die Software einsetzen, würde das die Ermittlungsbehörden bald "komplett diskreditieren", sagte Lauer. "In einem Rechtsstaat verstößt jede Art von Schnüffelsoftware letztendlich gegen die Grundrechte der Bürger."
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