Berlin: TAZ-SERIE HAMSTERTOUREN MIT DEM RAD (7): "Wild ist ein Naturprodukt"
BerlinerInnen suchen Natur - Brandenburg lockt mit Landschaft und Leckereien. Die taz fährt mit dem Rad zu den besten Plätzen. Teil 7: Der Fläming Wildhandel in Bardenitz.
Das Tor zum Hof des Fläming Wildhandels steht fast immer offen. Das liegt zum einen daran, dass Jäger auch an Wochenenden Wild anliefern. Zum anderen wohnen zwei Generationen der Familie Griebsch direkt auf dem Betriebsgelände, einem schön renovierten Backstein-Ensemble im Dorf Bardenitz. Jan Griebsch zeigt den Besuchern den weiß gekachelten Kühlraum. Hier hängen kopfüber mehrere Wildschweine und Rehe.
"Im Schnitt bekommen wir monatlich 600 Stück Wild. Da ist alles dabei, Wildschwein, Reh, Damwild, Rotwild und ab und an ein Mufflon. Wir leben in der glücklichen Situation, dass unsere Wälder viel Wildbret hergeben. Ich verstehe gar nicht, dass es Leute gibt, die Damwild in Gehegen züchten. Das muss zugefüttert werden, möglicherweise tierärztlich behandelt, da ist man von der Mast nicht mehr weit. Ich sehe Wild als Naturprodukt und lege Wert darauf, nur frei lebende Tiere zu verarbeiten.
Meist hole ich die Stücke aus den Kühlzellen, die die Förstereien eingerichtet haben. Da habe ich eine feste Tour. Montags bin ich im Rathenower Raum, dienstags im Fläming, mittwochs in der Dübener Heide bis Dessau.
Der Fläming: Die schöne, familientaugliche Tour führt auf größtenteils asphaltierten Wegen durch den Fläming. Die Strecke verläuft von Treuenbrietzen über Bardelitz, Pechüle, Felgentreu, Frankenförde, Gottsdorf, Frankenfelde nach Luckenwalde. Highlight ist die Wassermühle in Gottsdorf. Melden Sie sich vorher bei Familie Röthel an. Tel.: 033732-40314. Gesamtlänge ca. 30 km, davon 7 natur belassener Waldweg, 3 km Straße ohne Fahrradweg.
Die Anfahrt mit der Bahn: Die Märkische Eisenbahn fährt stündlich ab Bahnhof Wannsee nach Treuenbrietzen. Sie können auch ab Hauptbahnhof den Regionalexpress nach Jüterbog nehmen und dort in die Märkisch Eisenbahn Richtung Treuenbrietzen umsteigen.
Von Treuenbrietzen nach Bardenitz: Vom Bahnhofsvorplatz geht es zur Leipziger Straße, diese links hinunter fahren bis zum Kreisverkehr, die Abfahrt Richtung Jüterbog nehmen. Den Fahrradweg an der Hauptstraße bis zum nächsten Kreisverkehr fahren, diesen zu drei Viertelm umrunden und die "Jüterboger Straße" Richtung Innenstadt nehmen. Achtung: Den am Kreisverkehr angebrachten Radwegweiser nach Bardenitz bitte IGNORIEREN! Etwa 300 Metern, nach dem Chinarestaurant "Panda Palast, biegen Sie rechts in die Sernowstraße ein. Sie sind richtig wenn Sie linker Hand leicht zurückgesetzt einen Blumenladen und rechter Hand das neue Haus der freiwilligen Feuerwehr sehen. Nach kurzer Zeit kommen die wenigen Häuser des Ortsteils "Am Hellberg". Am Ortsende rechts den frisch asphaltierten Radweg am Feldrand nehmen (Wegweiser: Mühlentour). Nach Bardenitz sind es nun etwa 5 km.
Der Wildhandel: Im Ort Bardenitz angekommen fahren Sie links die Bardenitzer Dorfstraße hinunter. Der "Fläming Wildhandel" befindet sich an der Abzweigung nach Pechüle. Es lohnt sich, reinzuschauen und etwas einzukaufen. Das Fleisch ist vakuumiert, je nach Wunsch frisch oder gefroren, mit einer Kühltasche bekommt man alles prima nach Berlin. Adresse: Fläming Wildhandel, Bardenitzer Dorfstraße 56, 14929 Bardenitz, Tel. (03 37 48) 1 55 97, Internet: flaeming-wildhandel.de Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 8-17, Sa. 8-12, So. 9-11 Uhr
Von Bardenitz nach Gottsdorf: Von Bardelitz ab geht die Tour weiter nach Pechüle, wo ich eine Rast in der Gaststätte zur Friedenseiche empfehle (Sa und So ab 11.00 Uhr, einzige Einkehrmöglichkeit auf der Strecke!) Ab Pechüle wird es naturnah, das heißt die nächsten 7 Kilometer fahren wir auf Feld- bzw Waldwegen. Wir nehmen die Zingelstraße, die an der Dorfkirche vorbei führt. Das Ortsausgangsschild gibt als nächstes Etappenziel Felgentreu an. Kurz wird der Weg übel sandig. Bald kommen wir an eine Weggabelung mit zwei Schranken und einer wenig hilfreichen Wanderkarte. Hier beginnt das ehemalige militärische Übungsgelände. Aber da wollen wir nicht rein! Wir nehmen den unbeschrankten Weg links. Bald haben wir zu unserer Linken Aussicht auf freies Feld. Nach einem guten Kilometer führt uns der Weg in den Wald (am Rand sind Betonpfeiler aufgestellt), wo wir wieder vor einer Schranke landen. VOR der Schranke sehen wir links einen unscheinbaren, mit Gras bewachsenen Waldweg. Das ist unserer, auch wenn er wenig vertrauenswürdig aussieht. Rechter Hand wird es sumpfig, einige Tümpel erscheinen. Nun dürfen wir den nächsten Abzweig nicht verpassen: Nach ca einem Kilometer kommt eine kleine Kreuzung, Erkennungszeichen sind zwei Wegweiser mit der Aufschrift "Buschweg" und "Landschaftstour". An dieser Stelle biegen wir rechts ab, auch dieser Weg sieht unscheinbar aus ist aber richtig. Nach weiteren 1,5 km erreichen wir die asphaltierte Straße nach Felgentreu. Ab hier ist die Streckenfindung wieder einfach. Wir orientieren uns an den Straßenschildern nach Frankenförde (4km). Am Straßenrand steht eine große Biogasanlage. In Frankenförde angekommen geht es gleich links den Dorfanger runter ("In der Aue") bis zur Hauptsraße. Diese wird überquert, Wegweiser zeigen die Strecke nach Gottsdorf mit 3 km an.
Die Mühle in Gottsdorf: In Gottsdorf angekommen sehen Sie gleich den Dorftümpel. Sie können ihn links oder rechts umfahren, dahinter liegt etwas versteckt die Obermühle, eine noch voll im Betrieb stehende Wassermühle. Lassen Sie sich vom ersten Eindruck nicht abschrecken. Fragen Sie unbedingt nach einer Führung (Vorher anmelden, Tel: 033732-40314, Erwachsene 2,50 Euro)! Es ist beeindruckend! Und fragen Sie nach dem Aufzug!
Von Gottsdorf nach Luckenwalde: Der Rest der Strecke nach Lukenwalde ist schnell gemacht: Nehmen Sie links die Straße nach Frankenfelde (4km) Von dort geht es abermals links ab nach Luckenwalde (6km). Der Fahrradweg verläuft neben der Hauptstraße. Wenn Sie die Eisenbahnbrücke unterquert haben gleich rechts in die Eisenbahnstraße einbiegen, sie führt zum Bahnhof. Der Zug nach Berlin geht jede Stunde. Wer noch Zeit für Kuchen oder Eis hat biegt von der Eisenbahnstraße in die Poststraße, fährt immer gerade aus bis zum historischen Marktplatz. Rechts geht es in die Fußgängerzone, wo ein kleine Bäckerei mit Café und selbst gemachten Eis auch Sonntags geöffnet hat.
Gejagt wird ganzjährig, aber Hauptsaison ist im Herbst und Winter. An den Wochenenden im November finden die großen Gesellschaftsjagden statt. Dann klingelt nachmittags das Telefon und ich erfahre, wie viel Wild angefallen ist. Wenn ich am Sammelplatz ankomme, ist die Strecke oft schon gelegt. Feuer brennen, die Jäger sind müde, die Hunde frieren und wollen auch nach Hause. Beim Aufkauf muss man natürlich ein gewisses Feingefühl an den Tag legen. Zusammen mit den Jägern begutachte ich die Stücke vor Ort. Ist das Fleisch beschädigt, muss ich Abzüge machen. Erwünscht ist der waidgerechte Schuss, ein Blattschuss, der die lebenswichtigen Organe trifft. Das Tier ist sofort tot, die wichtigsten Stücke bleiben unverletzt.
Auf dem Hof wird das Wild gewogen und in die Kühlzelle geschoben. Dort hängt es für 5 bis 7 Tage ab, das gibt dem Fleisch Reife und Zartheit. Dann wird es aus dem Fell geschlagen, der Tierarzt untersucht auf Trichinen oder Verschmutzungen. Dem Wild wurden ja bereits im Wald vom Jäger die Organe entnommen, da dürfen keine Nadeln oder Erde in den Bauchraum gelangt sein. Wir richten das Fleisch dann küchenfertig her. Wir entfernen die Häute, schneiden das Fett weg, zerlegen es, bis man dann etwa ein kompaktes Keulenstück erhält. Von einem Wildschwein bleibt am Ende eine Fleischausbeute von 50 Prozent. Der Rest ist Fell, Schwarte oder Knochen. Bei Reh und Hirsch liegt der Fleischanteil bei 60 bis 70 Prozent.
Dass das Produkt gefragt ist, darum muss man sich immer wieder bemühen. Wir suchen unsere Daseinsberechtigung in der Qualität und im Service. Wenn am Sonnabend ein Koch anruft, bei ihm bricht die Welt zusammen, er hat noch zwei Veranstaltungen reinbekommen, dann setzt sich jemand aus dem Familienbetrieb in Bewegung und liefert. Von der Stückzahl her sind wir auch in der Lage, den Großhandel zu beliefern. Die arbeiten just in time. Das heißt, ich muss immer eine bestimmte Anzahl von Keulen, Rücken oder Gulaschpaketen verfügbar haben. Vormittags kommt die Bestellung, nachmittags hat der Händler die Produkte im Kühlhaus. Das funktioniert am besten in einem Familienbetrieb.
Mein Vater war früher Jäger. Nach der Wende fing er dann an, sich mit der Vermarktung zu beschäftigen, und hat den Betrieb gegründet. Ich war damals bei einer Werbeagentur, aber im Hinterkopf war immer der Gedanke, den väterlichen Betrieb mal weiterzumachen. In Unternehmerfamilien ist das ja immer ein Thema, da wächst man so rein. Jetzt habe ich selber zwei Kinder. Wenn die in die Welt ziehen wollen, können sie das natürlich gerne tun. Aber ich würde mich freuen, sie noch eine Weile hier halten zu können."
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