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■ Berlin: Das Alcatel-Werk wird trotz Besetzung geschlossenWer schlau ist, wehrt sich wenigstens

Fünf Wochen ihren Betrieb besetzt und nun kommt doch das Aus. Die Arbeiter des Berliner Alcatel-Werks haben sich scheinbar vergebens organisiert, haben sogar mit einer großen Delegation die Bosse in der obersten Konzernzentrale in Paris umzustimmen versucht und werden nun doch ihre Stellen los. Gut, die Berliner haben Alcatel eine großzügigere Übergangsregelung abgetrotzt als zuerst vorgesehen, und die Gewerkschaft ist mit dem Ausmaß des Sozialplans zufrieden. Aber die Arbeitsplätze sind fast alle weg.

Im Prinzip war das vorher klar. 170 Kabelwerker können einen Weltkonzern nicht umstimmen, auch wenn ihre Fabrik nachweislich profitabel arbeitet. Wenn ein Vorstand beschließt, irgendwo ein Werk zuzumachen, dann passiert das heutzutage auch. Kein bedeutender Politiker legt sich wegen ein paar hundert Arbeitsplätzen mit der Wirtschaft an. Und die Konzernstrategen können ja auch alles plausibel erklären – dass dort und dort die Produktion günstiger ist oder der Weg zum Kunden kürzer et cetera.

Wenn ein paar tausend französische Arbeiter des Stammwerks samt den wohlorganisierten dortigen Gewerkschaften vor und in der Pariser Alcatel-Zentrale aufgetaucht wären, hätte die Sache wohl anders ausgesehen. Aber ein paar Dutzend Deutsche? Da gibt es dort doch mehr Vorstandsassistenten.

Auch in Deutschland müssen schon Ikonen der Industriegeschichte wie Stahlwerke im Ruhrgebiet oder Werften an der Küste dichtgemacht werden, damit sich ernsthaft jemand mit den betroffenen Arbeitern solidarisiert. Hier zu Lande wie anderswo führt das dann meist zu einem Kompromiss – Subventionen des Staates finanzieren das verlängerte Sterben des Betriebs.

Dafür war Alcatel viel zu klein und Berlin viel zu pleite. Das wussten auch die Betriebsbesetzer im Prinzip. Aber sie haben sich trotzdem gewehrt. Nun haben sie immerhin noch zwei Jahre Zeit, sich eine neue Stelle zu suchen. Reiner Metzger

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