Berichte von Regierung und Staats-TV: Tamilen-Rebellenchef für tot erklärt
Sri Lankas Staatsfernsehen hat den LTTE-Chef Prabhakaran für tot erklärt. In einer unübersichtlichen Gesamtsituation sind die Tamil Tigers offenbar besiegt - Kämpfe dauern aber noch an.
COLOMBO ap/dpa/taz | Blutiges Ende für die Führer der Rebellen in Sri Lanka: Der Chef der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), Velupillai Prabhakaran, und weitere Anführer wurden nach Angaben des Staatsfernsehens von Regierungstruppen getötet. Der TV-Sender meldete am Montag, außer Prabhakaran seien auch dessen Stellvertreter Puttu Amman und der Chef der marine-ähnlichen Sea Tigers, Sooai, tot. Damit wäre die gesamte Führungsmannschaft der LTTE ausgelöscht worden. Bereits zuvor hatte das Verteidigungsministerium den Tod von sieben weiteren hochrangigen LTTE-Anführern mitgeteilt, darunter Prabhakarans Sohn Charles Anthony.
Diese Angaben konnten aber von unabhängiger Seite noch nicht bestätigt werden, da Beobachtern der Zugang zur Kriegszone untersagt ist.
Prabhakaran hatte die LTTE 1976 mitbegründet und seitdem mit brutaler Härte angeführt. Der LTTE-nahe Internetdienst Tamilnet berichtete, die Rebellen hätten bereits in der Nacht zu Montag das Feuer eingestellt. Das deute auf ein Massaker der Armee an den LTTE-Anführern hin. Der indische Nachrichtensender NDTV meldete unter Berufung auf Militärkreise in Colombo, Prabhakaran habe versucht, in einem Krankenwagen aus dem von der Armee eingekesselten Gebiet im Nordosten des Landes zu fliehen. Er sei von Soldaten einer Sondereinheit erschossen worden. Das Militär warte mit einer offiziellen Bestätigung auf das Ergebnis eines DNA-Tests.
Armeesprecher Udaya Nanayakkara hatte am Vormittag gesagt, Prabhakaran und andere LTTE-Anführer würden von den etwa 200 verbliebenen Rebellen auf einem nur noch 100 mal 100 Meter großen Gebiet im Nordosten der Insel verteidigt. Nanayakkara hatte betont, Prabhakaran werde nicht entkommen. "Er kann sich ergeben, wie in der von ihm eingeführten Kultur eine Zyanidkapsel nehmen, oder er wird im Laufe der Operation getötet, aber er hat keine Chance zu fliehen."
Die LTTE hatte am Sonntag das Ende des bewaffneten Kampfes verkündet, die eingekesselten Rebellen leisteten aber dessen ungeachtet zunächst weiter Widerstand. Präsident Mahinda Rajapakse hatte bereits am Samstag die militärische Niederlage der LTTE erklärt. An diesem Dienstag will sich der Präsident vom Parlament aus an die Nation wenden, um formell das Ende der Gefechte zu verkünden.
Der seit fast 26 Jahren andauernde Bürgerkrieg hat knapp 80 000 Menschen das Leben gekostet. Die LTTE kämpfte für einen eigenen Staat der tamilischen Minderheit und kontrollierte einst ein Viertel der südasiatischen Insel. In zahlreichen Ländern - auch in der EU - stand die LTTE auf der Liste der Terrororganisationen. In Sri Lankas Hauptstadt Colombo kam es am Montag zu spontanen Freudenfeiern. Im tamilisch dominierten südindischen Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.
Am Sonntag hatten die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) das Ende ihres bewaffneten Kampfs erklärt. "Wir haben uns entschlossen, unsere Waffen schweigen zu lassen", gab die Organisation auf der ihr nahestehenden Internetplattform Tamilnet bekannt.
Der Kampf sei zu einem "bitteren Ende" gekommen. "Um dem Feind keine Ausrede mehr zum Töten unserer Leute zu geben, haben wir uns entschlossen, die Waffen schweigen zu lassen", wird der für internationale Beziehungen zuständige Separatistenführer Selvarajah Pathmanathan zitiert. Es gebe keine Möglichkeit mehr, die eingeschlossenen Zivilpersonen zu schützen. Nun sollten Friedensgespräche beginnen.
Trotzdem gingen die srilankischen Truppen zunächst weiter gegen die Rebellen vor. Am Wochenende hatten Regierungstruppen nach eigenen Angaben die letzten Zivilisten aus dem nur noch einen Quadratkilometer großen Gebiet, das von den Rebellen gehalten wurde, in Sicherheit gebracht. Damit wurden laut srilankischer Armee in 24 Stunden mehr als 36.000 Menschen aus der Gewalt der LTTE "befreit".
Am Samstag ließ die Armee Bilder verbreiten, die die Eroberung des letzten Küstenstreifens dokumentieren sollten, als zwei Militäreinheiten am Sandstrand auf einander zu marschierten. Zeitgleich hatte Sri Lankas Präsident, der sich zu einem Besuch in Jordanien aufhielt, den Sieg über die LTTE verkündet. Er werde in eine Land zurückkehren, "das von der LTTE total befreit ist", sagte er in Amman.
Allein zwischen dem 20. Januar und dem 7. Mai wurden bei den schweren Kämpfen und Artillerieangriffen der Armee im Nordosten der Insel Ceylon mehr als 7.000 Zivilpersonen getötet und mindestens 16.700 teils schwer verletzt. Nach Angaben von Ärzten kamen im Lauf der vergangenen Woche nochmals mehr als 1.000 Menschen ums Leben.
UN-Organisationen haben der srilankischen Armee wiederholt vorgeworfen, auch Zivileinrichtungen wie Krankenhäuser zu bombardieren. Den Tamil Tigers wurde vorgehalten, die Zivilbevölkerung als "menschliches Schutzschild" gegen den Vormarsch der Armee benutzt zu haben.
Das Rote Kreuz hat angesichts der Eskalation der Kämpfe vor einer "unvorstellbaren menschlichen Katastrophe" gewarnt. Die Menschen, die dem Inferno entkommen konnten, seien völlig unterernährt, extrem geschwächt und hochgradig traumatisiert. Hier sei sofortige Hilfe erforderlich.
Auf den Schlachtfeldern der vergangenen Tage lägen immer noch hunderte Tote und Verletzte. Rund 250.000 Menschen befänden sich derzeit auf der Flucht. Nach Schätzungen sind dem Bürgerkrieg in Sri Lanka seit 1983 rund 80.000 Menschen zum Opfer gefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!