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Beobachtung am Wahlsonntag

■ Graues Sofa auf Parkett von Wolfgang Sabath

Schon als wir vor Jahren in die Nachbarschaft des Pankower Geisterviertels mit den immer gepflegten Gärten, den immer geputzten Fenstern und geharkten Wegen zogen, in das Viertel der immer leerstehenden Häuser, die gleichwohl immer bezugsbereit aussahen, fiel mir das Weiße Palais am Majakowskiring auf. Weil es leer und besonders gepflegt war, weil es öfter als die anderen Häuser geweißt wurde, weil es mit seinen Säulen und mit den schwerbusigen drei Weibern im Relief überm Portal von dem Standard bürgerlicher Vorkriegsvillen, der das „Sondergebiet“ prägte, abwich. Man hätte sich das Haus eher in einem üppigen Garten Floridas, in der Karibik oder Panamas vorstellen können. Welchem Zweck hatte das Haus zu dienen?

Tags dann, wir hatten die Peinlichkeit einer Wahl wieder mal hinter uns gebracht und taten uns - die Komödie bis zu ihrem Ende mitspielend - die „Aktuelle Kamera“ am Wahlabend an (ich glaube, Herrn Renner gab es damals auch schon), sollten wir es erfahren: Mensch, guck mal, is das nich...? Ja, es war: das Wahllokal des Erich H. Und es vergingen wieder einige Jahre, und es kam wieder so ein Abend, aber da wußten wir dann schon bescheid...

Das Haus steht immer noch. Und es steht immer noch in Pankow und nicht in Panama, obwohl zwischen Panama und Pankow kaum noch ein Unterschied ist. Und beim Spaziergang gestern finde ich die Gartentür zum Palais unverschlossen, gehe über die bescheidene Freitreppe zur gläsernen Tür und spähe, mir mit der Handfläche den nötigen Schatten verschaffend, ins Innere. Ach Gottchen: ein kleines Vestibül, Parkett, und quer zum Eingang ein feines graues Sofa. Aus. Was denn - darauf war ich fast zehn Jahre lang neugierig gewesen? Dazu denn fällt mir bloß noch der leicht absurde Günter Bruno Fuchs ein mit den Zeilen

Das LAND.

Das hat sich nicht vorgestellt, was es hier mitmacht. (...)

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