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Benjamin Moldenhauer Popmusik und EigensinnVon der Wurstigkeit der Welt

Foto: privat

Ein paar programmatische Worte vorneweg: Eigensinn im Pop bedeutet nicht Individualität oder Selbstverwirklichung, das alles wird von der Kulturindustrie im Handumdrehen verdaut. Individualität ist nur Aufforderung zur Eigeninitiative, zum Mittun, das darin besteht, sich selbst als Marke in den Betrieb einzuspeisen[1]. Als etwas möglichst Einzigartiges, Besonderes und Vitales also, in suggestiver Übertünchung der eigenen Wurst- und mitunter ja auch Würstchenhaftigkeit.

Auch der popkulturelle Eigensinn bleibt nicht außen vor, es gibt kein Entrinnen, aber er hat zumindest die Chance, sich graduell zu entziehen – durch bewusst forcierte Erfolglosigkeit zum Beispiel. Eigensinn heißt nicht, sich als einzigartiges Individuum zu verstehen, sondern als ein Würstchen unter vielen und in einer langen Tradition von Versuchen, der Welt mittels Musik Schönheit, Wahrheit und Trost abzuringen.

Wer also meint, er wäre frei im Ausdruck, irrt. Wer aber die Tradition durch die eigene Subjektivität filtert (und Subjektivität nicht mit Individualität oder gar Autonomie verwechselt) hat die Möglichkeit, auch innerhalb von kulturindustriellen Koordinaten eigensinnig zu agieren. Er wird dann im besten Fall nicht zur Marke, sondern zu einer Nische.

Auch Orte können Nischen sein. Die Schule 21 ist einer der Orte in dieser Stadt, an denen der Eigensinn, den ich meine, ein vorübergehendes Zuhause gefunden hat. Am Samstag spielt dort, zwei Wochen nach Eugene Chadbourne, der irische Musiker Donald McConnon mit seinem, so heißt es, „Kunstprojekt“ The Curly Organ. Ein jungenhafter, irgendwie pummeliger Folk, minimalistisch und mit zartem Stimmchen vorgetragen.

„My only hope for the new year/is that we leave behind despair“, singt McConnon in „Game We Play“, zu finden auf der ersten von bislang vier EPs, „cómo usar los cubiertos“. Diese Musik stolpert und plinkert und wirft niemanden und nichts um. Aber wenn alle so wären, wie diese Songs klingen, bräuchte es keine Nischen.

The Curly Organ, Sa, 29.9., 20 Uhr, Schule 21, Godehardstr. 21

[1]Vgl. hierzu ibs.: Die Goldenen Zitronen: There‘s No Business Like Business (1996) „Alles ist erlaubt, weil alles wahr wird, was kaufen kann / Striptease ist ein Ausdruck meiner Individualität / Nur keine Langeweile / darauf steht die Todesstrafe“, in: dies.: Economy Class, Sub-Up, München 1996

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