Benjamin Moldenhauer Popkultur und Eigensinn: Durchdesignte Distanzlosigkeit
Er wolle singen, singt Max Prosa, „immer nur singen“. So „wie die Klänge im Wind / wie ein Vogel im Flug“, aber auch „ohne Angst“ und „ohne Wut“. Das Ergebnis dieses Drangs sind inzwischen Dutzende Songs, die im Gestus maximaler emotionaler Ergriffenheit vorgetragen werden. Jede Körperhaltung, jeder Gesichtsausdruck, der in den Videos von Max Prosa in Szene gesetzt ist, suggeriert Authentizität, Sensibilität und Tiefe. Die Augen halb geschlossen, der Kopf schüttelt sich, als müsse er das, was da von ganz unten aufsteigt an Gefühlen, mit nach oben und hinaus befördern. Bei der Aufführung der Stücke, die Prosa nicht allein, sondern mit Band eingespielt hat, werden in den Passagen, die Euphorie anzeigen, die Arme in die Luft geworfen: „Ich reiße mich auf / zeige meine Zähne / will alles spüren / was ich erzähle“.
Die durchdesignte Distanzlosigkeit dieser Musik ist penetrant, aber lehrreich. Welche Form von Subjektivität hier behauptet wird, zeigt sich am klarsten im direkten Abgleich. Max Prosa wird gern, ist zu lesen, mit dem frühen Bob Dylan verglichen. Tatsächlich gibt es Parallelen (Mann, Gitarre, bei vielen Gelegenheiten eine ähnliche Mütze). Bob Dylan aber weiß, was Gesellschaft bedeutet. Beim „frühen Dylan“: „And if my thought dreams could be seen / They’d probably put my head in a guillotine“, heißt es in „It’s Alright Ma (I’m Only Bleeding)“.
Klassische Repressionsidee, 1965: das aufbegehrende Subjekt gegen die Macht. Bei Blumfeld dann, ein Vierteljahrhundert später, auch interessant: „And if my thought dreams could be seen / they probably put my head in an Ich-machine“ – der Zwang nun gleichsam nach innen verlegt.
Nimmt man die Musik von Max Prosa spaßeshalber als symptomatisch, gibt es nur noch das von der eigenen ausgestellten Emotionalität berauschte Subjekt, das mit Freunden, Partnern und Familie verbunden ist. „Sie war’n alle einmal da für mich / Bis wir uns nicht mehr so oft sahen / Ich trug ihr Bild von dieser Welt im Kopf / Als ich begann meines zu malen“. Mutter taucht auch auf, wieder anders als bei Dylan: „Es gab nur einen stetigen Begleiter / auf dieser Reise, und das war Mama“. Fantasie ist das Schlüsselwort. Sie wird, sagt Max Prosa, „siegen“. Es weiß halt nur niemand mehr, über was.
Sa., 19. 5., 20 Uhr, Kito
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