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Benjamin Hirsch zu Bengalos beim Fußball"Feuer und Flamme sein"

Gut möglich, dass in manchen Stadien bald Bengalos abgebrannt werden dürfen. Ultra-Vertreter Benjamin Hirsch hält das für längst überfällige. Bengalos seien "fester Bestandteil der Fankultur".

Sogar beim FC Bayern gibt es Ultras, nämlich die "Schickeria". Bild: dapd
Interview von Christoph Ruf

taz: Herr Hirsch, 150 Ultra-Gruppierungen unterstützen eine Initiative, die mit DFB und DFL über das Abbrennen von Pyrotechnik verhandelt. Außenstehende tun sich schwer zu begreifen, warum Fans brennende Fackeln brauchen.

Benjamin Hirsch: Außenstehenden fällt es generell schwer, Sub- und Jugendkulturen zu verstehen. Auch die Ultras verstehen sich als eigene Subkultur mit eigenem Lebensentwurf und eigenen Ritualen.

Die Gruppen entwerfen eigene Kleidung und Choreografien, dichten eigene Lieder. Aber warum gehört es dazu, mit Knallkörpern und Fackeln zu hantieren?

Vorsicht, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Böller und Kanonenschläge haben im Stadion nichts zu suchen. Die sind viel zu gefährlich. Die Unterzeichner formulieren das in dem Manifest auch genau so. Anders sieht es mit den bengalischen Feuern aus. Die Szene hat ihre Wurzeln in Italien und da sind bengalische Feuer ein fester Bestandteil der Fankultur. Feuer und Flamme für den Verein - das wird mit diesem Stilmittel symbolisiert.

Wollen Sie behaupten, dass Fackeln, die 1.000 Grad heiß werden, ungefährlich sind?

Die Szene argumentiert so: Verletzungen entstehen, weil die Fackeln in der Enge der Kurve in Verstecken gezündet werden; bei verantwortungsvollem Umgang, wenn der Abstand zum Nebenmann groß genug ist, passiert aber nichts.

Bild: archiv
Im Interview: BENJAMIN HIRSCH

ist Anwalt in Würzburg. Hirsch berät die Initiative "Pyrotechnik legalisieren" und ist Mitglied in der AG Fananwälte.

Stimmt das denn?

Wenn man sieht, wie viele tausend Bengalos in den letzten Jahren abgefackelt wurden, ist tatsächlich wenig passiert. Und wenn die Fackeln nicht mehr in der Enge einer vollbesetzten Kurve gezündet würden, sind die Gefahren kontrollierbar. Das Konzept sieht deshalb vor, dass man sich in jedem Stadion mit dem Sicherheitschef zusammensetzt und Pyro-Zonen ausweist. Das heißt natürlich, dass jeder dort sofort identifizierbar ist, der sich nicht an die Absprachen hält.

Der Reiz der Pyrotechnik ist aber doch gerade, dass sie verboten ist. In der Kurve wird jedenfalls ordentlich gefeixt, wenn der Stadionsprecher mal wieder bittet, das Gezündel zu unterlassen.

Mag sein. Aber die Gruppierungen, die das Manifest unterzeichnet haben, wissen, dass sie ganz gehörig über ihren Schatten springen müssen, wenn sie eine Lösung wollen. Es ist jedenfalls wesentlich gefährlicher, die Fackeln in der brodelnden Masse zu zünden. Durch den Verfolgungsdruck war das bislang kaum anders möglich.

Was meinen Sie?

Polizei und Justiz kriminalisieren die Pyros. Sie zu zünden, wird nicht als Ordnungswidrigkeit gesehen, sondern als Straftat, als versuchte Körperverletzung. Selbst wenn nichts passiert, wird also unterstellt, dass ein Ultra absichtlich seinen Nebenmann verletzen will oder das zumindest billigend in Kauf nimmt. Das ist absurd.

Warum setzen sich DFB und DFL denn mit der Initiative überhaupt an einen Tisch?

Ich glaube, sie haben gemerkt, dass das jahrelange Katz-und-Maus-Spiel die Fronten nur verhärtet hat. Durch Repression ist das nicht in den Griff zu kriegen.

Wie verliefen die Gespräche?

Beide Treffen waren erstaunlich produktiv und offen. Auf Verbandsseite war der scheidende DFB-Sicherheitsberater Helmut Spahn dabei. Und DFB-Vize Rainer Koch. Das zeigt schon, dass man es ernst meint. Wir hatten bei allen den Eindruck, dass sie die Kompromissbereitschaft der Kampagne unterschätzen. Die Verbände haben gemerkt, dass sie es mit intelligenten Menschen zu tun haben, mit denen man reden kann. Die Fronten sind dadurch aufgeweicht.

Was heißt das konkret?

Die Ultra-Gruppen werden in einem Zeitraum, der nicht publik gemacht wird, auf Pyros verzichten. Daraufhin gibt der Verband einzelnen Vereinen die Möglichkeit, das Abbrennen in kontrollierbaren Zonen zu genehmigen. Das wird erst mal über Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit Ordnungsbehörden passieren. Und zwar schon in dieser Saison.

Kritiker der Initiative glauben, dass es bei DFB und DFL einige gibt, die insgeheim auf ein Scheitern des Experiments hoffen, um danach sagen zu können: Ihr hattet eure Chance, die habt ihr vertan.

Ich glaube das nicht, denn durch solche Taktiererei würde man die moderaten Kräfte in der Kurve angreifbar machen. Es wissen ja alle Beteiligten, dass es auch andere Leute in der Kurve gibt. Und wenn man dennoch lieber von DFB-Seite zur harten Welle zurückkehrt, sind wir halt wieder beim Status quo.

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5 Kommentare

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  • K
    Korrelano

    Ich bin dafür, dass solche Ultras aus dem Stadion geschmissen werden. Spätpubertäre Lausebengel haben da nichts verloren. Zündeln könnt ihr woanders auch. Von wegen Feuer und Flamme für den Verein - das ist ganz grober Unfug was der Herr Ultra hier von sich gibt.

    Wer wie ich im Einsatz als Sanitäter schon mal mit den Verletzungen durch Bengalos zu tun hatte weiß, dass diese Dinger unverzüglich abgeschafft werden müssen.

  • D
    DBO

    Guter Beitrag!

     

    @ Wertfrei - den Polizeieinsatz bezahlen? Mach ich mit meinen Steuern. Aber glaub mir, auch ohne Pyro oder Fußballfans allgemein werden die Polizisten bezahlt. Vieleicht nicht immer alles glauben was so in der Zeitung steht. Der Fußball bringt dem Staat so eine Unsumme an Steuern ein das die Grüne Staatsmacht schon bissl dafür arbeiten kann.

     

    @ Floppes - Du denkst also das der Großteil dagegen ist? Aha... also bei uns in Dresden gibt es inzwischen auch Pfiffe bei Pyroinlagen (leider) aber nicht weils nicht gefällt sondern wegen der Strafen. Das ist ein Unterschied. Wenn es erlaubt war, wie zu unserer Stadioneröffnung gabs immer 99% Zustimmung. 1% waren solche wie du, Leute die sich in den Fanblock stellen und sich dann über die Fans aufregen... sorry aber geht gar nicht.

  • B
    Björn04

    Ich brauche es zwar auch nicht, bei jedem Spiel ne Überdosis Magnesium- oder sonstigen Rauch einzuatmen und ne Zeit lang nichts vom Spiel sehen zu können, aber auf bevormundende Moralapostel reagiere ich relativ allergisch.

     

    Man braucht doch nur mal ein paar hundert Kilometer südlich zu schauen, was da abgeht und kommt nicht umhin sich doch arg zu wundern warum hier bei jedem Licht der dritte Weltkrieg herbeifantasiert wird, während in anderen EU-Ländern sowas zur normalen Spieleröffnung gehört:

    http://www.youtube.com/watch?v=-6wguZRmyTY

     

    Und ich bin mir sicher, gäbe es wie hier in Griechenland an jedem Spieltag tausende Schwerverletzter durch Pyrotechnik würde dies von unseren Medien begierig aufgenommen und ausgeschlachtet. Dem ist aber offensichtlich nicht so.

     

    Auch halte ich relativ wenig von Ultra-Szenen, aber das Argument, dass der Großteil der Gefahr durch die möglichen Repressalien entsteht, sticht einfach.

     

    Wenn man weiß, was man tut lassen sich die Gefahren auch größtenteils ausschliessen. Also fast wie im richtigen Leben.

     

    Und wenn dann solche Stadionverbote wie hier ausgesprochen werden ( http://www.derwesten.de/staedte/gladbeck/Auf-Jahre-nicht-mehr-in-die-Arena-von-Schalke-04-id4914854.html ) stehen einem doch die Haare zu Berge, und niemand braucht sich zu wundern, dass sich die Akzeptanz solcher Maßnahmen nahe dem Gefrierpunkt bewegt.

  • W
    Wertfrei

    Herr Hirsch,

    Sie reden von Subkultur, Ritualen, alles Schicke Worte für einen TAZ Reporter. Rituale der Aggression, Subkultur der Jugendrandale für sonst teils biedere Normalbürger, die im Stadion nur mal die Sau raus lassen wollen? Wie definieren sich denn die Ultras, im Spiel mit der Grenze zur Gewaltverherrlichung im Fußball? Ihre Verharmlosung Bengalische Fackel ist gefährlich; mit der Forderung, Bengalische Fackel in Fußballstadien zu legalisieren, nehmen sie schwere Verletzungen von Menschen billigend in Kauf. Ob die dann versehendlich oder absichtlich geschehen spielt für die Opfer keine Rolle.

    Das Abbrennnenlassen in kontrollierten Zonen unter Polizeiaufsicht mag eine Lösung sein, wenn die Pyrotechnikkonsumenten den Polizeieinsatz dann auch bezahlen, ich als Bürger will es nicht bezahlen. Das Zünden von Bengalische Fackel in Fan- Blöcken und Kurven muss weiterhin als Straftat verfolgt werden.

  • F
    Floppes

    Ich stehe seit 25 Jahren in einer deutschen Fankurve, in der ersten Liga, in einem Block mit den Ultras. Ich vermisse Pyrotechnik nicht im Mindesten. Das Gehabe der Ultras nervt. Sie glauben, Ihnen gehöre die gesamte Fankurve, das gesamte Fansein. Ich bin aber auch Fan, und ich möchte keine Bengalos in meinem Block. Was veranlasst den DFB überhaupt, sich mit diesen Leuten an einen Tisch zu setzen, ohne uns andere Fans zu fragen? In unseren Block passen schätzungsweise 3000 Menschen. Wenn es hoch kommt, sind davon 200 echte Ultras. Würde man nur die Leute in unserem Block befragen, bin ich sicher, dass mindestens 80% sagen würden: Pyrotechnik brauch ich nicht, Pyrotechnik will ich nicht. Im gesamten Stadion wäre das Ergebnis sicher noch eindeutiger. Ein paar Leute wollen das, und wir sollen dann weiter oben den ätzenden Qualm einatmen? Da werde ich auf die Barrikaden gehen!