Benefiz-Auktion für Hamburgs Kunstverein: Schöne und Reiche retten die Kunst

Mit einer Benefiz-Auktion hilft sich der Hamburger Kunstverein selbst aus seiner finanziellen Misere. Dass die spektakuläre Aktion "eine Ausnutzerei" der beteiligten Künstler ist, geben auch die Vereinsverantwortlichen zu.

Hat erfolgreich gepokert: Kunstvereins-Chef Florian Waldvogel. : Kunstverein / Fred Dott

HAMBURG taz | Harald Falckenberg ist kein nachtragender Mensch. Auch keiner, dem irgendwelche Sorgen den Schlaf zu rauben pflegen. Dabei bahnte sich Ende vergangenen Monats durchaus Dramatisches an, den Hamburger Kunstverein betreffend, dem Falckenberg vorsteht: "Wir können ab September keine Miete und keine Gehälter mehr zahlen", hatte Florian Waldvogel, seit 2009 künstlerischer Leiter des Vereins, da für die Presse getextet. Und dann bestätigte die Pressesprecherin die drohende Misere auch noch fröhlich am Telefon.

Indes: "So war das nicht gemeint", räumte Waldvogel wenig später ein. Ernst aber sei die Lage des Vereins schon: Ein Defizit von 150.000 Euro bahne sich für das laufende Jahr an. Man habe signifikant weniger Sponsorengelder eingeworben, statt 150.000 Euro nur 32.000, und da müsse man eben handeln.

Zumal Hamburgs Kulturbehörde, die lediglich die Fixkosten stellt, aber keinen Ausstellungsetat, nur abwinke. Also half der Verein sich selbst: Eine Auktion wurde angesetzt, zu der 39 Künstler Bilder und Skulpturen spendeten. "Eine Ausnutzerei" nennt Waldvogel das, und die müsse die Ausnahme bleiben. "Aber wir wussten keinen anderen Weg."

"Kunstvereine anfällig"

Im Prinzip war die Aktion auch mit Vereinsvorstand Falckenberg abgesprochen. Nicht allerdings die kurzfristig verschickte "Kein-Gehalt-keine-Miete"-Pressemitteilung - Falckenberg dementierte sie binnen 24 Stunden. Aber er sagt auch, dass Kunstvereine stets anfällig seien für finanzielle Krisen. Mit knapper Not habe man in den vergangenen Jahren Defizite der Vergangenheit abgearbeitet. Und für das Ausbleiben von Drittmitteln in diesem Jahr könne Waldvogel nichts: "Wirtschaftlich", so Falckenberg, "würde ich ihm ein Top-Zeugnis ausstellen."

Dabei ist Waldvogel beileibe kein gelernter Akquisiteur, im Gegenteil: Als bekennend linker, interventionistischer Kurator ist er in den vergangenen Jahren inner- und außerhalb Europas unterwegs gewesen. Er hat unter anderem die "Manifesta 2006" auf Zypern daran scheitern lassen, dass er Künstler auf beiden Seiten des geteilten Nikosia arbeiten lassen wollte.

In Frankfurt am Main wiederum hat er künstlerische Hausbesetzungen initiiert und die Künstlerin Silke Wagner dazu animiert, einen Bus namens "Deportation Class" zu bauen, der den "Business Class"-Bussen der Lufthansa täuschend ähnelt.

Den Bus hat er inzwischen auch in Hamburg gezeigt, dazu diskursiv angelegte Ausstellungen, in denen mal Holocaust-, mal Mohammed-Karikaturen zu sehen waren, aber auch Pressefotos aus dem Bild-Archiv. Manche Hamburger Künstler sahen es mit Unmut - ebenso auch, dass der Kunstverein sein Obergeschoss monatelang an die Internationale Bauausstellung vermietete. Das sei nur eine Projektpräsentation gewesen, versichert seine Sprecherin. Ins Profil gepfuscht habe da niemand.

Das aber könnte jetzt passieren, und zwar als Folge der erwähnten Benefiz-Auktion am vergangenen Dienstag: Neben gespendeten Kunstwerken kam da nämlich auch für drei Monate das Untergeschoss des Kunstvereins unter den Hammer, auf dass darin jemand Dinge seiner Wahl präsentiere - was nun natürlich beispielsweise auch schnittige Auto-Karosserien sein könnten. Den Zuschlag allerdings erhielt bei der gut besuchten Auktion ein Kunstsammler, soviel ist bekannt; der Mann bleibt vorerst anonym, aber sein Programm wird dem des Vereins wohl nicht zuwiderlaufen.

Ohrring und Armani

Überhaupt, die Auktion: ein irritierend konservatives Vehikel, das Waldvogel allerdings im Jahr 2004 schon einmal nutzte, um in Frankfurt den Portikus beim Städel zu retten. Trotzdem weiß man nie genau, ob er sich nicht heimlich lustig macht über die Ersteigerer, die ihm seine immer wieder widerborstigen Ausstellungen finanzieren. Denn natürlich besteht der Hamburger Kunstverein aus sehr wohlhabenden Menschen: Auch am vergangenen Dienstag fand mancher sich mit Ohrgehängen und im Armani-Stöffchen ein.

Jenes Bürgertum, das im 18. Jahrhundert Deutschlands erste Kunstvereine gründete, damit die Kunst nicht mehr Privileg des Adel sei, haben diese Mäzene finanziell längst überrundet. Fast könnte man sagen, sie nutzten die Not des Vereins, um Bilder zu ersteigern und zugleich, imageträchtig, eine gute Tat zu tun.

Florian Waldvogel selbst findet ohnehin, das klassische Profil der Kunstvereine, die einst die Demokratie in die Kunst-Rezeption tragen wollten, sei längst verwässert. "Den Feind gibt es ja so nicht mehr", sagt er. Den repräsentiert er als Institutionschef inzwischen selbst.

Wo sich also verorten innerhalb der Gesellschaft; ist das Modell Kunstverein in Hamburg und anderswo, stets von den Kommunen knappgehalten, überflüssig? Ist es heute noch ein originärer Ort für die zeitgenössische Kunst mit einer besonderen Anbindung an die jeweilige Region?

Hamburg hat in diesem Kontext vor gar nicht langer Zeit eine interessante Posse geliefert: 2005 beschloss eine Gruppe jüngerer Künstler, mehr Einfluss auf das Programm zu nehmen. Sie animierten Gleichgesinnte, in großer Zahl dem Verein beizutreten.

Was zur Abwahl und deutlich verjüngten Neubesetzung großer Teile des Vorstands führte. Der ließ die Wahl prompt annullieren, initiierte seinerseits eine noch unglaublichere Welle von Neumitgliedschaften und ließ erneut wählen. Was vielen als ein konservativer Rollback erschien, mit der ursprünglichen Idee von Kunstverein nichts mehr zu tun hat. Aber die soll ja ohnehin verwässert sein.

Der amtierende Vereinsvorstand Harald Falckenberg wiederum ist auch privat Sachwalter moderner Kunst: Jüngst erst wurde seine hochkarätige Sammlung zeitgenössischer Werke den staatlichen Deichtorhallen angegliedert, damit sie auf Dauer eine Heimstatt habe.

Die Benefiz-Auktion übrigens erlöste 173.000 Euro - unter anderem für Arbeiten von Oskar Kokoschka, John Bock, Per Kirkeby und Tal R. "Ein Riesenerfolg", sagt Falckenberg. Falls aber der zweite Termin am 14. Oktober bei Sothebys in London "schiefgehen sollte, werden wir für 2012 genau überlegen müssen, ob wir das Programm reduzieren müssen".

"Dichtgemacht wird nicht"

Prophylaktisch hat der Verein das bereits getan: Anstelle der bisher üblichen sechs Ausstellungen pro Jahr wird es 2012 davon nur vier geben. Für Falckenberg ist das kein Drama: 2008, in Zeiten tiefster Krise, habe man "ein Jahr lang eine einzige Ausstellung gezeigt", erinnert er sich, "die allerdings viermal leicht verändert wurde".

Kein Dauerzustand, klar. Aber mit Unwägbarkeiten müsse man bei Kunstvereinen eben immer rechnen, sagt er. "Und nur weil ein paar Sponsoren abspringen, machen wir den Verein doch nicht gleich dicht." Der existiere in Hamburg immerhin seit 1817. Und habe schon ganz andere Krisen überstanden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.