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Beirut: Linksparteien erobern Amal–Stellungen

■ In Westbeirut dauern die schweren Gefechte zwischen der Amal–Miliz und anderen Gruppen unverändert an / Amal–Chef Berri fordert von seinen Milizionären „Kampf bis zum Sieg“ / Der Ruf nach dem Rücktritt des Gemayel–Kabinetts wird lauter

Beirut (afp/ap) - In Westbeirut, wo seit Sonntag die heftigsten Kämpfe seit zehn Jahren toben, hatte der Zusammenschluß aus Kämpfern der drusischen „Sozialistischen Fortschrittspartei“, der kommunistischen Partei und sunnitischen Milizen am Donnerstag den Großteil der Stellungen der gegnerischen schiitischen Amal– Miliz unter Kontrolle gebracht. Die blutigen Gefechte dauerten mit unveränderter Heftigkeit an, nachdem Schiitenführer Nabih Berri trotz einer syrischen Waffenstillstandsaufforderung seine Amal–Miliz zur Fortsetzung der Auseinandersetzungen aufgerufen hatte. Allein am Mittwoch starben einer vorläufigen Bilanz zufolge 45 Milizionäre, 149 wurden verletzt. Die Linksparteienkoalition setzte ihren militärischen Druck auf weitere Amal– Stellungen, wie den Murr–Turm, ein nicht fertiggestelltes Hochhaus in Westbeirut, fort. Der Keller des Gebäudes dient der Schiiten–Miliz als Gefängnis. Die Bevölkerung hält sich seit Montag in Treppenhäusern und Gängen versteckt. In einigen beschossenen Häusern brach Feuer aus, doch konnte die Feuerwehr aufgrund der Situation in den Straßen nicht eingreifen. Auch die Feuerwehrkasernen wurden von Geschossen getroffen. Amal–Chef Nabih Berri, der sich seit dem 14. November in Damaskus aufhält, erklärte am Donnerstag telefonisch gegenüber AFP, er habe seinen Milizionären befohlen, „bis zum Sieg“ weiterzukämpfen. Unterdessen trafen zahlreiche weitere „Amal“–Kämpfer aus der Umgebung Beiruts in der Hauptstadt ein. Syrien hatte am Mittwoch eine Feuerpausen–Initative befürwortet, bei der eine syrisch–libanesi sche Friedenstruppe zwischen die verfeindeten Milizen gestellt werden sollte. Nachdem dieser Versuch scheiterte, brachen die Kämpfe anschließend mit umso größerer Heftigkeit wieder aus. Der libanesische Staatspräsident Amin Gemayel sollte am Donnerstag einen zweitägigen Staatsbesuch in Frankreich beenden, der neben den französisch–libanesischen Beziehungen im wesentlichen das Zerwürfnis zwischen dem libanesischen Staatschef und seinem syrischen Amtskollegen Hafes el Assad zum In halt hatte, wie aus der Umgebung Gemayels verlautete. Das Verhältnis zwischen beiden Staatsmännern hatte sich vor einem Jahr verschlechtert, als Gemayel einen unter syrischer Schirmherrschaft ausgearbeiteten Friedensplan für den Libanon nicht anerkennen wollte. Der libanesische Erziehungs–, Arbeits– und Sozialminister Selim Hoss sprach sich am Donnerstag für einen Rücktritt des gesamten Kabinetts aus, das zur Hälfte aus Christen und zur Hälfte aus Moslems besteht. Hoss, ein sunnitischer Moslem, bezeichnete die Regierungsmitglieder als Versager und sagte: „Wir sind bankrott.“ Hoss fuhr fort, die ehrenhaften Bürger lehnten sämtliche Milizen ab, denen die Nation niemals vergeben werde. Tags zuvor hatte Ministerpräsident Raschid Karami, ebenfalls Sunnit, seinen Rücktritt für den Fall angedroht, daß die Bürgerkriegsparteien nicht die Waffen niederlegten. Schiitenführer Berri rief dagegen seine Amal–Miliz auf, bis zum Sieg oder zum Märtyrertod zu kämpfen.

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