Beim HSV formieren sich die Fronten: Aufstand der Untoten
Befürworter und Gegner einer Ausgliederung der Profiabteilung bereiten sich auf die Mitgliederversammlung im Januar vor. Beide Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber.
HAMBURG taz | Dem HSV wird mitunter vorgeworfen, er habe es in den 80er und 90er Jahren verpasst, die Spieler seiner goldenen Generation ins Geschäft einzubinden. Anders als in München, wo die halbe Weltmeistermannschaft von 1974 einen Job bekam, mussten Hrubesch, Magath & Co den Großteil ihrer Funktionärs- bzw. Trainer-Karriere in der Fremde absolvieren.
Seine Ex-Funktionäre wird der HSV dafür offenbar bis ans Ende seiner Tage nicht los. In guten Zeiten palavern sie lediglich ins Tagesgeschäft, in schlechten, also meistens, geistern sie als Untote durch die Geschäftsräume, ziehen Strippen im Hintergrund, schreiben Konzeptpapiere und machen sich den ganzen Tag Sorgen um „ihren HSV“.
Wie Ernst-Otto Rieckhoff zum Beispiel, in der Saison 2011/2012 Vorsitzender des Aufsichtsrats. „Außer Rasenmähen mache ich zurzeit kaum etwas anderes“, sagte er schon im Juni. „Es bringt richtig Spaß, diese Dinge zu planen!“ Dann brauchte er nur noch zu warten, bis es dem HSV nach verpatztem Saisonstart so richtig schlecht ging und ließ die Katze aus dem Sack.
„HSV plus“ nennt er seinen Plan, die Profi-Abteilung des Vereins in einer AG auszugliedern, deren Anteile bis zu 24.9 Prozent ohne Zustimmung der Mitglieder an externe Investoren veräußert werden dürfen. Mit Mitgliedervotum können weitere Anteile bis zu 49,9 Prozent verkauft werden.
Bei der Präsentation des Konzeptes setzte Rieckhoff Holger Hieronymus, Ditmar Jakobs und Thomas van Heesen aus der Europapokal-Siegermannschaft von 1983 mit aufs Podium, inzwischen hat sich auch Ex-Präsident Wolfgang Klein der Initiative angeschlossen. Nicht angeschlossen hat sich der Ex-Präsident und aktuelle Aufsichtsrat Jürgen Hunke, der sich gern als Wahrer der HSV-Seele gibt.
„Zukunft mit Tradition – die Seele des Vereins ist unantastbar“ nennt Hunke sein Konzept, das vor allem als Gegenentwurf zum Rieckhoff-Plan zu verstehen ist, da es zwar wie dieses eine Verkleinerung des Aufsichtsrates vorsieht, aber keine Ausgliederung der Profiabteilung. „Wir dürfen auf keinen Fall Anteile des Vereins verkaufen – das ist unser Tafelsilber“, so Hunkes Credo.
Einig sind sich die Altvorderen darin, dass der HSV ohne das Geld des in der Schweiz lebenden Milliardärs Klaus-Michael Kühne, der unter anderem die Verpflichtung von Rafael van der Vaart finanziert hat, handlungsunfähig ist. Doch während Rieckhoff Kühne als Anteilseigner und strategischen Partner ködern will, schwadroniert Hunke davon, „das Herz und die Seele eines solchen Mannes erobern“ zu wollen. Kein Wort davon, dass Kühne sein Engagement sehr klar an die Entlassung des aktuellen Führungspersonals und die Installierung von Ex-Manager Felix Magath als Schlüsselperson abhängig gemacht hat.
Die Supporters, an deren Widerstand Ausgliederungspläne von Ex-Präsident Bernd Hoffmann vor acht Jahren gescheitert sind, halten sich bislang mit einer Positionierung zurück. Dafür kündigte Kurven-Vorsänger Jojo Liebnau ein eigenes Konzept an. „Es ist wichtig, den Mitgliedern eine Alternative zu bieten, die vom Verkauf von Vereinsanteilen absieht“ so Liebnau.
Da sich nach langem Zögern auch Präsident Carl-Edgar Jarchow geäußert hat, stellt sich die Gefechtslage drei Monate vor der entscheidenden Mitgliederversammlung, auf der über die Konzepte abgestimmt werden soll, so dar: Der Vorstand und die Initiative HSV-Plus treten gemeinsam für eine Ausgliederung an, Aufsichtsratschef Manfred Ertel, Jürgen Hunke und Teile der Supporters werden das wohl ablehnen und sich wahrscheinlich noch rechtzeitig auf einen gemeinsamen Gegenentwurf einigen können.
So oder so ist es schwer vorstellbar, dass bei diesen Fronten einer der Vorschläge die für eine Satzungsänderung erforderliche Dreiviertel-Mehrheit erhält.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen