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Beim Cashflow-Club in WittenbergRaus aus dem Hamsterrad

"Arme arbeiten für ihr Geld, Reiche lassen ihr Geld für sich arbeiten." Sagt Robert Kiyosaki, Erfinder des Brettspiels Cashflow. Ein Besuch des Cashflow-Club in Wittenberg .

Ziel ist es, aus dem Hamsterrad raus zukommen - auf die Überholspur. Bild: promo

Der Cashflow-Club in Wittenberg ist einer unter zahlreichen anderen gleichartigen Spielclubs, die sich in den letzten Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet haben. Ihr Zweck liegt in der Werbung für die Ideen und Produkte der Firma Cashflow Technologies, Inc. von Robert Kiyosaki. Der US amerikanische Selfmade-Multimillionär (1967 auf Hawaii geboren) hat während des Börsenbooms mit Immobilienspekulationen eine Menge Geld verdient und wurde reich durch seinen Bestseller "Rich Dad, Poor Dad", der im Jahr 2000 in den USA erschien und dort sechs Jahre auf der Bestsellerliste der New York Times stand. Mit diesem und ähnlichen Handbüchern zum Thema Wege zu Erfolg und Reichtum wurde er zum Geldguru für die unablässig vom Absturz bedrohte amerikanische Mittelschicht.

Seine Empfehlung lautet, der Normalbürger soll zum Unternehmer werden, zum Investor und sich durch Einkünfte aus Immobilien, Aktien und Obligationen von den Zwängen seiner beängstigend abhängigen Existenz befreien. Er entwickelte das Brettspiel "Cashflow 101" in Anlehnung an das Monopoly-Spiel, das 1930 während der Großen Depression in den USA entstand und bis heute eines der weltweit meistverkauften Brettspiele ist. "Cashflow 101" soll zeigen, so die Botschaft auf der Schachtel: "Wie du deinen finanziellen IQ schnell und einfach steigerst" und "Wie jedermann reich und finanziell frei werden kann sogar mit kleinem Einkommen."

In Deutschland gibt es das Spiel zum Preis von 197 Euro zu kaufen. Das Nachfolgespiel, "Cashflow 202", kostet 118 Euro und wird angesichts der Umstände mit dem Satz beworben: "Wie profitiert man, wenn die Märkte zusammenbrechen?" Es gibt ein Cashflow-Team, das die Produkte von Kiyosaki in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreibt und interessierte Leute dazu einlädt, Clubs zu gründen und als Spielleiter zu fungieren. Die Spielleiter werden bei Weiterverkauf der Spiele und Bücher durch Prämien beteiligt. Es gibt Meisterschaften zwischen den Spielerteams der verschiedenen Clubs, und es gibt Spielleiter-Schulungen und -Seminare, sogar in Arizona.

Einer der Clubgründer in den neuen Bundesländern ist Mathias Zdzieblowski. Er war umstandslos bereit, sich mit uns zu treffen. An einem sonnigen Tag im Mai fahren wir nach Wittenberg, durch sonntäglich leere Dörfer, vorbei am kalten Gelb des blühenden Rapses und an nicht enden wollenden Spargelfeldern, auf denen sich die Erntehelfer aus Rumänien und die zwangsverpflichteten deutschen Hartz-IV-Empfänger für miserable Bezahlung nach den teuren Trieben bücken.

Die Lutherstadt ist schön restauriert im Zentrum. Touristen flanieren, das Softeis schmilzt, die Glocken läuten. Unweit von Marktplatz und Marienkirche, im komfortablen Versicherungsbüro einer Bekannten, empfängt uns Herr Zdziedblowski im Businessanzug sehr gastlich, höflich und ernst. Er ist ein durchtrainierter, kräftiger junger Mann. Ein bisschen irritiert mich jedoch seine perfekt rasierte Glatze. Aber es gibt ja heute alle Arten von Glatzensignalen. Meine Frage, ob seine Frisur einen politischen Hintergrund hat, verneint er entschieden und lacht, zu meiner Erleichterung. Er erklärt, es sei so lediglich praktischer beim Sport. "Ich mache Kraftsport, mache Kampfsport, mache alles, was es so an actionreichen Sportarten gibt. Nur Snowboard gefällt mir nicht."

Mathias Zdzieblowski, Gründer des Cashflow-Clubs in Wittenberg. Bild: elisabteh kmölniger

Dann erzählt er uns seine Geschichte. "Ich bin hier in der Lutherstadt 1984 geboren, bin also 25 Jahre alt, die DDR habe ich nur noch so grau im Hinterkopf. Dass da immer mal Fahnen draußen hingen, und auch an das Alu-Geld, daran erinnere ich mich noch. Ich habe einen älteren Bruder, meine Mutter ist Verwaltungsfachangestellte und mein Vater ist gelernter Schlosser, Metallbaufacharbeiter. Ich bin noch Junggeselle, wohne momentan auch noch zu Hause, bin aber gerade dabei, in eine eigene Wohnung zu übersiedeln.

Nach dem Abitur bin ich zur Bundeswehr gegangen und habe dort eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert. Ich hatte viel Zeit, weil ich auf einem Wirtschaftsgymnasium war und von daher schon eine Menge Vorkenntnisse, viele Basics, besaß. Ich konnte nebenher meine erste Unternehmung im ,Franchise' gründen und habe einen ,Empfehlungs-Marketing-Betrieb' mit unterschrieben. Also das ist eine Unterkategorie des ,Network Marketing', sagt Ihnen das ein bisschen mehr? Das ist eine Sonderform, bei der kein direkter Vertrieb stattfindet, wo die Produkte an den Mann kommen rein nur auf Empfehlung.

Im Anschluss daran habe ich mich selbstständig gemacht mit diesem Konzept, hier in Wittenberg, und habe dann mehrere Sachen ausprobiert. Habe sehr viel persönliche Weiterbildung gemacht, habe Volkshochschulkurse besucht, an Seminaren teilgenommen. Ich habe sämtliche Jobs gemacht, die ich irgendwie greifen konnte. Nicht so sehr zum Geldverdienen, mehr auch, um zu lernen. Ich war an Haustüren Klinken putzen, wie man das so schön sagt, ich war auf dem Bau, habe Telefon-Marketing gemacht und auch Montagearbeit. Ich habe in zahlreiche Branchen mal reingeschnuppert. Es war immer relativ einfach, denn man hat viele Kontakte hier in Wittenberg.

Dann ist mir eines Tages dieses Buch in die Hände geraten von Bodo Schäfer ,Der Weg zur finanziellen Freiheit - In sieben Jahren die erste Million'. So bin ich auf diesen Sektor aufmerksam geworden. Das nächste Buch war dann schon ,Rich Dad, Poor Dad' von Robert Kiyosaki. Ich habe danach dieses Spiel gesucht - in der deutschen Fassung gibt es das erst seit etwa 2007 - und habe mich mit zwei Kameraden zusammengeschlossen. Ich war einer der ersten Besteller. Gut, das war viel Geld. Keine Frage. Aber es war eine erste Investition. Wir haben es gespielt und waren begeistert von dem ganzen Sinn, der dahintersteckt.

Der Bevölkerung nahebringen

Es besteht ja diese Initiative seitens der Firma, in ganz Deutschland Cashflow-Clubs zu eröffnen, nicht nur um die Produkte zu verkaufen, auch um das halt der Bevölkerung ein bisschen besser darzubieten und nahezubringen. Es gab damals schon 20 bis 30 Clubs, die spielten aber mit der englischen Version. So habe ich mich dann entschlossen, mit meinen Freunden zusammen, hier den Cashflow-Club Wittenberg ins Leben zu rufen. Im Februar 2008 haben wir das erste offizielle Spiel gemacht. Im Brauhaus vorn am Markt, eine sehr gute Adresse. Wir mussten ja eine Location haben, eine schöne Atmosphäre, wo Platz und Ruhe ist und wir uns auch verpflegen lassen können. Ich habe damals dem Betreiber erst mal gesagt, dass wir einen offiziellen Spielabend machen wollen, mehrere Leute, und der fragte natürlich zurück: Spiele? Und ich habe erklärt, wir spielen kein Skat, wir spielen ein Brettspiel, das auf Monopoly basiert und nur mit Spielgeld gespielt wird. Und die haben gesagt, ja gut, okay. Also wir mussten keinen Raum mieten, jeder zahlt nur das, was er konsumiert. Das Ganze soll ja auch kostenlos sein für die Leute, die zum Spielen kommen, Ich habe alle Vorbereitungen aus meiner eigenen Tasche finanziert, Flyerdrucken, Rumfahren, Auslegen in den Tankstellen.

Es kamen dann aber gar nicht so viele Leute, wie ich befürchtet hatte, denn ich habe nur zwei Spiele. Eines habe ich gekauft, und ein Clubspiel habe ich dazubekommen. Es können rein theoretisch 12 Personen an zwei Brettern spielen. An dem Abend waren nur Männer da. Es ist gut angekommen, hat den Leuten Spaß gemacht und der Lerneffekt war gut. Inzwischen haben wir auch ein paar Frauen. Durchs Internet und die Flyer, kommen immer wieder neue Leute dazu. Ich spiele in unregelmäßigen Abständen und nicht immer mit demselben Team. Die Fluktuation ist groß, der eine ist auf Urlaub, der andere hat Schicht. Aber es ist natürlich immer interessant.

Einmal, da haben wir zu viert gespielt, da hatte ich einen von einer hiesigen Bank dabei, der war natürlich gut. Insgesamt ist es ein ausschließlich junges Publikum, so in meinem Alter, bisher jedenfalls. Wenn Sie beispielsweise nach Berlin gehen, da haben sie im Cashflow-Club auch 40- und 50-jährige Spieler dabei, also vorwiegend ältere. Aber auch junges Publikum natürlich. Na ja, die Nebenerwartung, auch Spiele zu verkaufen, die hat sich bisher nicht so erfüllt. Aber ich sage es mal so, ich mache das als mein Wohltätigkeitsprojekt, ich spende meine Zeit und mein Wissen dafür, die Idee anderen nahezubringen.

Spielen und spenden

Eine kleine Zwischenbemerkung möchte ich machen. Spenden spielt eine wichtige Rolle im Spiel, und ich persönlich halte diese Seite auch für sehr wichtig, damit man nicht nur das Geld vermehrt. Also es kann sogar ein Antrieb sein im Spiel. Und auch im Leben, damit man seiner Lieblingsorganisation mehr Geld zukommen lassen kann." Wir fragen ein wenig hohntriefend, ob er denn auch im wirklichen Leben Geld spendet. Ernst, aber ohne Pathos erzählt er: "Ja. Ich persönlich spende regelmäßig, zum Beispiel für die Freiwillige Feuerwehr, schon seit meinem 13. Lebensjahr, so lange bin ich schon dabei. Heute bin ich Gruppenführer und Einsatzleiter, habe die Jugend ausgebildet und außer Geld auch sehr, sehr viel Freizeit dafür gespendet. Dann spende ich noch für die Kontaktgruppe ,Behinderte und Nichtbehinderte Regensburg', wo ich eine Weile auf Ausbildung war.

Und ich spende auch für die Kriegsgräberfürsorge, und zwar deshalb, weil ich über diese Organisation meinen im Krieg vermissten Urgroßvater gefunden habe. Mein Großvater, der mit bei uns zu Hause wohnt, ist aus dem ehemaligen Königsberg und hat 60 Jahre lang nicht gewusst, wo sein Vater geblieben ist oder wo er begraben wurde. Der hat sich dann mit 73 Jahren, mit einem Rucksack auf dem Rücken, auf die Reise gemacht, dort hoch, zum Grab seines Vaters auf einem Soldatenfriedhof. Er ist am 15. September 1943 gefallen und wir haben vom 13. September seinen letzten Brief, wo er halt schreibt, wir haben demnächst was Großes vor … Das hat mich tief beeindruckt. Gern wäre ich mitgefahren, aber ich konnte damals nicht. Das sind also derzeit meine Spenden, und jetzt komme ich wieder zum Spiel.

Das sagte ich ja schon, dass jeder kommen und mitspielen kann, der Lust dazu hat. Ja, manchmal kommen auch Arbeitslose, selbstverständlich können die mitspielen. Wenn sie wollen. Aber es beschäftigt sich ja nicht jeder so gerne mit Geld. Zwar klagt jeder, dass so wenig davon da ist, aber sich darüber unterhalten, woran das liegt, das fällt manchem schwer. Deshalb gebe ich am Anfang immer eine kleine Einführung zum Thema Entstehung des Brettspiels, was der Sinn des Ganzen ist. Ich erzähle von den zwei Vätern Kiyosakis, ,Rich Dad, Poor Dad', dem Sozialisten und dem Kapitalisten, und wie er sich entschieden hat für den reichen Vater, dass aber auch die anderen Aspekte mit reinspielen, ganz klar! Und wie dann das Spiel auch auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen entstanden ist.

Also kein Spiel, jedenfalls keines. das ich kenne, ist so nah an der Realität aufgebaut. Man kann arbeitslos werde, man kann Kinder bekommen. Und dann erkläre ich halt den Spielern, dass es hauptsächlich darum geht, den finanziellen IQ zu erweitern … ja, das ist so ein Begriff aus dem Amerikanischen … und man kann eben spielerisch lernen, wie man das erreicht. Wie man sein Blickfeld vergrößert und Initiativen ergreift. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass sich das bei mir absolut ausgewirkt hat. Seit ich das Spiel spiele, habe ich mich weiterentwickelt. Ich bin tätig im Bereich Aktien. Immobilien nicht so, dafür fehlt mir noch das nötige Kleingeld. Ich mache viele Geschäfte, und im Fokus steht halt der Aufbau eines passiven Einkommens. Ganz klar. Aber wenn man das mal aufs Spiel überträgt, so bin ich leider immer noch im inneren Kreis.

Herr Zdzieblowski füllt unsere Gläser nach und fragt, ob er das Spiel mal aufstellen soll, zu Demonstrationszwecken. Wir sind gespannt, er klappt das Brett auseinander, dessen dominierende Farben Magenta, Violett und Lila sind, offensichtlich die Lieblingsfarben des Erfinders, denn auch sämtliche Buchcover und Werbematerialien tragen diese Farben. Er stellt die Spielfiguren auf, farbige Plastikratten in Sitzhaltung mit farblich dazu passenden Käsestückchen, legt Würfel und Karten auf die Felder, das Spielgeld bleibt im Karton.

"Das Spiel", sagt er, "wurde 1996 erfunden, im chinesischen Jahr der Ratte. Deshalb die Ratten. Ich erkläre dann den neuen Spielern das Brett, also es gibt diesen inneren Kreis, das ist die Tretmühle, das ,Rat Race' oder Hamsterrad, wie wir sagen. Und es gibt diesen äußeren Kreis, den ,Fast Track', also die Überholspur. Die Tretmühle symbolisiert den Alltag. Ich stehe morgens auf, um arbeiten zu gehen, nicht weil ich Lust dazu habe, sondern um meine Rechnungen zahlen zu können, um mir ein bisschen was leisten zu können. Wer so denkt, bleibt für immer in diesem Hamsterrad. Ziel des Spieles ist es - und das führt letztlich dann auch nur zum Gewinn -, von der Tretmühle auf die Überholspur zu wechseln. Und das geht nur durch den richtigen Umgang mit dem Geld.

Auto und Eigenheim

Zu Beginn des Spieles zieht jeder Spieler eine Berufskarte, also zum Beispiel Pilot, Manager, Ingenieur, Krankenpfleger oder Lehrer, mit dem jeweils zugeordneten Einkommen und den Ausgaben. Das sind alles Bruttobeträge, aus dem Amerikanischen übernommen, die stimmen für uns so nicht, ein Auto wird natürlich vorausgesetzt, ebenso ein Eigenheim. Aber es geht ja nur darum, die Relationen bewusst zu machen. Und dann gibt es hier dieses vorgedruckte DIN-A4-große Spielerblatt, auf dem man dann sein persönliches Einkommen, die Ersparnisse und seine Verbindlichkeiten usw. einträgt. Auf diesem Blatt führe ich meine Bilanz mit Bleistift - da die sich ja ständig verändert wird viel radiert -, und so habe ich einen Überblick darüber, wie ich gewirtschaftet habe.

Dann wählt noch jeder Spieler zu Beginn des Spieles, anhand der Felder hier, seinen persönlichen Lebenstraum. Da kommt dann Ihr blaues Käsestück drauf, wenn Sie Blue Rat sind. Das Käsestück, dem Sie von nun an hinterherjagen. Wichtig ist noch: Wir spielen nicht gegeneinander, wir spielen miteinander, geben uns ausnahmsweise auch mal gegenseitig Tipps, aber eher wenig. Learning by doing, das gilt auch für Fehler. Das Feld ,Zahltag' zum Beispiel, das liegt 3-mal auf dem Weg der Ratten in der Tretmühle. Jedes Mal, wenn ich drübergehe oder draufkomme, lasse ich mir von der Bank mein Einkommen auszahlen, das Geld, das ich jeden Monat überhabe. Wenn ich das vergesse und der nächste Spieler würfelt, dann ist es weg.

Als Erstes lernt der Spieler, was Geld in die Tasche bringt und was Geld aus der Tasche herauszieht. Also ein Eigenheim, ein Auto, was immer so schön suggeriert, es wäre die wichtigste Investition im Leben, sind in Wahrheit nur Verbindlichkeiten, die uns Geld aus der Tasche ziehen. Für die Bank eine Investition, für uns eine Verbindlichkeit! Eine Investition ist etwas, was wieder Geld zurückbringt. Und das strebe ich an. Die Differenz zwischen meinen monatlichen Einkünften und Ausgaben, das ist der monatliche Cashflow, den ich habe. Und mit diesem Geld arbeite ich, und ich lerne, dass ich es nicht für Schnickschnack ausgeben sollte, sondern lieber in Immobilien und Aktien anlege. Wir haben alles dabei an Angeboten. Ich kann ein Haus, eine Eigentumswohnung kaufen und dann in meiner Einkommensspalte unter ,Immobilien' die Mieteinnahmen verbuchen. Ein erster Schritt in die Unabhängigkeit! Ziel ist ja, raus aus dem Hamsterrad und auf die Überholspur zu kommen. Das schaffe ich aber nur dadurch, dass ich mein passives Einkommen permanent erhöhe. Durch Mieteinnahmen aus Immobilien, die ich kaufe, durch Firmentätigkeit etc., bis meine gesamten Ausgaben dadurch gedeckt sind." Wir merken an, dass Immobilienkrise und Leerstand wohl nicht vorgesehen sind.

Arbeitslos? Genickbruch!

"Nein", sagt er ernst, "das Spiel ist ja von 1996. Aber es gibt hier das Feld ABEITSLOS, das gefürchtet ist, da heißt es dann: Zahle den Betrag deiner gesamten Ausgaben an die Bank, setze zwei Runden aus. Es bedeutet, dass ich arbeitslos werde, kein Einkommen habe, meine Ausgaben aber gleich bleiben. Das ist für viele der Genickbruch. Man muss einen Kredit bei der Bank aufnehmen zu horrenden Zinsen, sonst hat man einen negativen Cashflow. Nicht so beliebt ist auch das Feld ,Kinder'." Er lacht etwas verlegen. "Zu Beginn des Spieles hat übrigens jeder Spieler null Kinder. Aber dann kann es passieren, dass man mehrmals auf das Feld kommt. Ich erkläre immer: Das ist an sich kein schlimmes Feld. Gut, es erhöht die Ausgaben, ganz klar, keine Frage. Aber man muss das auch als Anreiz sehen, sich sagen, pass auf, jetzt hast du noch mehr Verantwortung. Jetzt musst du dich noch mehr engagieren, musst noch riskanter arbeiten, es noch mehr vorantreiben, aus der Tretmühle der Lohnabhängigkeit herauszukommen. Ich hebe den Ansporn hervor, damit es nicht zu negativ gesehen wird. Es geht ja nur um eins: Ich muss mein passives Einkommen so steigern, dass ich nicht mehr arbeiten gehen MUSS. Das ist das Ziel, das ich erkämpfe.

Vom inneren Kreis, der Tretmühle, dem ,Rat Race', können Sie also in dem Augenblick auf die Überholspur, den ,Fast Track', überwechseln, in dem Sie Ihre Vermögenswerte so angehäuft haben, dass Ihr Einkommen in der Einnahmenspalte höher ist als Ihre gesamten Ausgaben. Sie also nicht mehr von Ihrer Arbeit abhängig sind. Und dass Sie dahin kommen, das ist nicht nur Glück beim Würfeln, sondern auch, dass Sie genug Deals gemacht und eine Summe von Gelegenheiten gut genutzt haben. Und wenn Sie also auf die Überholspur wechseln, zum ,Big Business', und Ihr passives Einkommen beträgt vielleicht 2.000 Euro beim Übergang, dann verhundertfacht sich das automatisch auf 200.000 Euro. Es heißt ja ,Fast Track'.

Die Überholspur

Natürlich haben wir hier auf der Überholspur kein Arbeitslosenfeld mehr. Ich kann mir hier alles kaufen. Ich habe jetzt jeden Monat - immer wenn ich über Cashflow gehe - meine 200.000 Euro. Das sind meine Einnahmen aus Immobilien- und Aktiengeschäften. Die überweist mir die Bank, ob ich will oder nicht. Und mit diesem Geld kaufe ich mir zum Beispiel einen Lkw-Teile-Hersteller für 150.000 Euro und bekomme weitere 5.000 Euro im Monat. Allerdings gibt es hier auch noch dieses unangenehme Feld ,Steuerprüfung'.

Und dann sind da noch diese rosa Feldchen, wo sich jeder seinen persönlichen Lebenstraum gewählt hat zu Beginn des Spieles. Die einen Träume sind mehr egoistisch, die anderen altruistisch. Da haben wir u. a. eine Bibliothek für Kinder, ein Forschungslabor für Krebs und Aids, eine Aktienbörse für Kinder oder auch einen Wald, eine Südseeinsel, eine Angelhütte am Bergsee. Es gibt auch ein Abendessen mit dem Bundespräsidenten, das kostet zum Beispiel 100.000 Euro." Auf die Frage, ob denn jemand 100.000 Euro dafür ausgibt, nur um hinterher Insolvenz anzumelden, sagt er ernst: "Das Geld habe ich doch! Sie müssen verstehen, wir spielen hier in einer anderen Einkommensklasse. Also wo auch immer Sie Ihren Käse auf Ihren Traum gelegt haben, Sie haben die Möglichkeit, auf diesen Traum zu würfeln, und wenn Sie sich den dann leisten können, dann haben Sie das Spiel gewonnen. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Spiel zu gewinnen, entweder Sie erfüllen sich Ihren Traum, oder Sie machen weiter wie bisher, auf den grünen Feldern, und vermehren Ihr passives Einkommen so weit, bis Sie mit 50.000 Euro drüberliegen, dann haben Sie auch gewonnen. Wenn einer gewonnen hat, ist das Spiel für alle vorbei.

Wenn nach zwei Stunden noch keiner gewonnen hat, dann breche ich das Spiel ab, auch wenn es in der heißen Phase ist. Aus dem einfachen Grund, ich will die Leute animieren, sich beim nächsten Mal mehr anzustrengen. Nach dem Spiel mache ich dann immer noch eine kleine Nachbesprechung.

Grade am Anfang kommt es oft vor, dass die Spieler es nicht schaffen, aus dem inneren Kreis, der Tretmühle, rauszukommen. Es liegt natürlich einmal daran, wie die Würfel fallen, aber auch am Persönlichen. Jemand, der sehr vorsichtig ist, nichts riskiert im Leben, der wird auch im Spiel so handeln. Und wenn einer eine klare Zielsetzungen und eine gewisse Risikobereitschaft hat, dann hat er die im Spiel auch. Wenn also jemand einen Deal zieht mit einer Aktie, die 10 Euro kostet, sagt der eine, ich kauf mal 10 Stück. Und der andere kauft eben 2.000 Stück und hat dann natürlich eine wesentlich höhere Rendite, mit der er wieder andere Geschäfte machen kann. Oft sind diejenigen, die nicht rauskommen, keine Deals machen, auch diejenigen, die sagen: Ich hatte einfach keine Gelegenheit, ich habe schlechte Karten gezogen, wurde oft arbeitslos, habe viele Kinder bekommen. Das sind aber meist auch diejenigen, die nie gespendet haben. Und da haben Sie die Wohltätigkeit! Von meinem gesamten Einkommen kann ich 10 Prozent spenden. Das bringt meist einen Schub, denn ich darf 3 Runden lang statt mit einem mit 2 Würfeln spielen. Gut, man kann dann gleich wieder auf dem Kinderfeld landen, wenn man Pech hat, aber der Vorteil ist, ich komme häufiger über das Einkommensfeld.

Es gibt auch Leute, die mit dem Spiel nicht viel anfangen können, aber nicht sehen, dass sie was falsch machen im Leben. Abwehr! So was gibt es auch. Sie begründen es damit, dass es keinen Spaß macht, dass sie nicht weiterkommen, sie sagen, das ist mir zu geldfixiert. Jemand mag vielleicht Aktien nicht, findet, das ist alles Schwindel, Geldschneiderei. Aber wenn ich von Grund auf die Ablehnung habe gegen Aktien, dann sehe ich im Spiel zwar, ich kann Geld damit verdienen, mache es aber nicht. Und das führt dann dazu, dass diese Leute nichts großartig leisten können auf dem Spielplatz. Und die anderen lernen eben, ah, es funktioniert!" Er holt ein Papier aus der Tasche: "Nur mal so ein Beispiel, zum Thema Aktien. Das ist vom August 2009. Wenn man nur mal den DAX vergleicht, keine Einzelaktien jetzt, dann ist hier wunderbar zu sehen, wie der DAX gefallen und wie er hier wieder hochgekommen ist. Hätten wir für 3.800 Punkte hier gekauft, wo die Krise richtig reingehauen hat, und hätten wir hier für 5.400 Punkte wieder verkauft, hätte ich in 6 Monaten eine Rendite von äh … 30 % gehabt, das wäre machbar gewesen.

Aktienmarkt für jedermann

Und es ist ja nicht so, dass der Aktienmarkt jemandem verwehrt ist oder der Immobilienmarkt - um nur mal einen Teilbereich herauszugreifen. Jeder sieht, das kann ich auch. Also es findet eine gewisse Persönlichkeitsentwicklung statt im Spiel. Natürlich, das Spiel kann und soll jetzt nicht den absoluten Investor aus einem machen. Es soll einfach Grundlagen und vor allem Anreize schaffen. Wenn ich dieses Spiel oft spiele und mit Herzblut spiele, dann wird sich automatisch bei mir was ändern. Ich werde dreimal überlegen, ob ich mir einen neuen Flachbildschirmfernseher kaufe für mein hart erarbeitetes Geld oder ob ich es gewinnbringend investiere. Ob ich endlich dieses Mittelschichtdenken überwinde und damit anfange, zu denken wie die Reichen, wie Kiyosaki sagt: ,Arme arbeiten hart für ihr Geld, Reiche lassen ihr Geld hart für sich arbeiten.' "

Ich nehme zerstreut eine der Karten vom Spielbrett und schaue sie an. Sie trägt folgenden Text: "Die Inflation steigt auf 10 % und die Zinsen für Hypotheken von Einfamilienhäusern steigen auf 20 %. Alle deine vermieteten Einfamilienhäuser (EFH) sind betroffen (kein anderer Spieler) und stehen nun zur Zwangsversteigerung aus, da du mit variablen Zinssätzen finanziert hast. Du musst alle Einfamilienhäuser an die Bank zurückgeben und verlierst den jeweiligen Cashflow aus deinen Objekten."

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1 Kommentar

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  • JA
    Jörg André Zimmermann

    Aus Sicht eines Brettspielnerds ist das vorgestellte Spiel nicht nur unglaublich teuer, sondern auch spieltechnisch sehr schlecht. Aber davon einmal abgesehen: Zwei Seiten meiner geliebten taz, um diese ewiggleichen So-werden-Sie-reich-Platitüden im Detail wiederzugeben? Reich wird hier sicher der Erfinder der Cashflow-Club-Kette, alle anderen zahlen für ihre Hoffnungen viel Geld ins Leere. Apropos viel Geld - für sowas zahl ich eigentlich nicht den politischen Preis der taz... und auch nicht für 4-5 Artikel über Lena in einer einzigen Ausgabe, auch wenn sie zugegebenermaßen echt fett endkrass hammersüß ist.