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Beifall für letzten DDR-Haushalt

■ Volkskammer beriet verspäteten Haushalt / Bonn greift dem Finanzminister unter die Arme und verdoppelt den Bürgschaftsrahmen auf 8 Milliarden Mark / Deckungslücke 4,3 Milliarden

Berlin (dpa/taz) - Vor dem Hintergrund einer maroden Industrie und krisengeschüttelten Landwirtschaft stieß der Haushaltsentwurf für den Zeitraum bis zum Jahresende trotz Bedenken in der Volkskammer auf Zustimmung. Der für den Entwurf verantwortliche Finanzminister Romberg hatte eine Erfolgsmeldung aus Bonn parat, das grünes Licht für mehr Kredite gegeben hatte. Der Rahmen für Kreditbürgschaften ist verdoppelt und auf acht Milliarden Mark aufgestockt. Ein Grund zur Freude, denn „ein Teil der Finanzprobleme“ könnte ausgeräumt werden, sagte Romberg. Seine Regierung habe nun „die doppelte Möglichkeit“, Kredite als Staat zu garantieren. Der DDR-Sparhaushalt umfaßt ein Volumen von 63,7 Milliarden Mark. Es gibt eine Deckungslücke von 4,3 Milliarden Mark. Rund jede fünfte Mark aus dem Etat fließt in den Bereich Arbeit und Soziales. Die Zahlungen von Renten und Arbeitslosenunterstützungen seinen in jedem Fall gesichert. Ein Nachtragshaushalt sei nicht zu umgehen, was in der Debatte deutlich wurde.

Reiner Krziskewitz von der CDU-Fraktion bezeichnete die Deckungslücke im Gesamtetat als „harten Brocken“. Er plädierte dafür, die Haushaltsansätze zum Beispiel für das Außenministerium noch zu überprüfen, um hier gegebenenfalls zu kürzen. Kein Verständnis hatten er und andere Abgeordnete dafür, daß für den Rüstungshaushalt eine Milliarde Mark an Beschaffungskosten vorgesehen seien. Im Namen der CDU/DA -Fraktion gab er dem „Übergangshaushalt“ - dem letzten der DDR - seine Zustimmung.

Für den SPD-Abgeordneten Hinrich Kuessner zeigte der Haushaltsentwurf, „woher wir kommen“. Die Verabschiedung sei wichtig, damit jeder wisse, wieviel Geld zur Verfügung stehe. Er bezeichnete den Haushalt als „Schicksalsbuch der Nation“. Harte Kritik am Entwurf gab es vom Bündnis 90 und der PDS.

Hans-Jochen Tschiche (Bündnis 90) prophezeite, mit diesem Etat werde die DDR zum „Armenhaus des künftigen Deutschlands“ verkommen. Die PDS-Abgeordnete und frühere Wirtschaftsministerin Christa Luft zweifelte. Es sei eine „Anormalität“, daß nur 45,4 Prozent des Haushaltes durch eigene Einnahmen gedeckt würden. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 34,7 Milliarden Mark, so Romberg, werde zum größten Teil (24,75 Milliarden Mark) mit Hilfen aus der BRD gedeckt.

Auf einer Sondersitzung verabschiedete der Ministerrat Gesetzesänderungen, um DDR-Betriebe in einer Strukturanpassungsfrist zu unterstützen. Geändert wurden das Pfandrecht und das Konkursverfahren, welches verlängert wurde.

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