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■ Bei VW wird der Betriebsfrieden gekündigtAchtung Selbstläufer!

Da scheint die IG-Metall in den VW-Verhandlungen diesmal richtig Druck zu machen: Gewerkschaftschef Klaus Zwickel warnt den Autokonzern davor, den Bogen zu überspannen. Sein Stellvertreter Walter Riester sieht mit den Forderungen nach Samstags- und kostenloser Mehrarbeit die Schmerzgrenze erreicht. Und der Vorsitzende des VW-Gesamtbetriebsrates, Klaus Volkert, hatte schon vorher mit einem Arbeitskampf gedroht, wie ihn VW bisher noch nie erlebt habe. Ein solcher Rekord wäre bei VW leicht aufzustellen, folgte doch bei Volkswagen in den vergangenen Jahrzehnten spätestens der Urabstimmung die schnelle Einigung am Verhandlungstisch.

Einen Streik in dem gewerkschaftlichen Musterbetrieb wollen die IG-Metall-Spitzen auch diesmal nicht. Aber sie stehen selbst unter Druck. Die Mobilisierung der Kollegen an der Basis sei diesmal ein Selbstläufer, hört man allenthalben von VW-Betriebsräten. In Wolfsburg sind am vergangenen Donnerstag 35.000 VW-Beschäftigte in Warnstreiks getreten. Eigentlich wollte IG-Metall-Verhandlungsführer Peters erst am heutigen Montag die Warnstreiks fortgesetzt sehen, und dies nur an einigen VW-Standorten. Nun wird es heute in allen inländischen VW-Werken wieder Arbeitsniederlegungen geben.

Nicht die IG Metall, die Konzernführung mit Ferdinand Piäch an der Spitze ist es, die die Sozialpartnerschaft, Marke VW, aufkündigt. Bisher hat der Autokonzern in den Verhandlungen weniger als eine Nullrunde angeboten. Für die Beschäftigungssicherung, für die schon einmal auf Lohnerhöhungen verzichtet wurde, soll jetzt ein zweites Mal gezahlt werden: mit reduzierten Samstagzuschlägen und kostenloser Mehrarbeit. Um mehr als acht Prozent soll die effektive Arbeitszeit in der Produktion durch Streichung von Pausen steigen. Längere Arbeitszeit sichert aber nun mal keine Beschäftigung. Zudem soll der von VW angebotene Vertrag, der nur Kündigungen aber keineswegs weiteren Arbeitsplatzabbau verbietet, nur zwei Jahre gelten. Die nächste große Rationalisierungswelle steht aber bei VW erst nach den Modellwechseln in den Jahren 1997 und 1998 an. Der Konzern will sich also die Option auf Massenentlassungen offenhalten. Besondere Sozialpartnerschaft, eine im Betrieb starke Gewerkschaft und mäßige Dividenden gehörten bei VW immer zusammen. Ferdinand Piäch will bei den Dividenden einen Spitzenplatz. Solange die Automobilkonjunktur noch einigermaßen läuft, braucht sich die IG Metall diese Kündigung des Betriebsfriedens nicht bieten zu lassen. Jürgen Voges

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