piwik no script img

■ Bei Ministers zu Haus – die Heime unserer neuen Regierung (16)An den Füßen goldene Dianetten

Es sei nicht zu verfehlen, hatte sie am Telefon gesagt. In der Auffahrt stehe meist ein großer amerikanischer Wagen. Zwar möge sie keine Autos und hätte den Wagen sicher längst abgeschafft, aber der Chauffeur pflege ihn wie ein Baby. Da hätte sie es nicht übers Herz gebracht.

Tatsächlich, am Ende der Stichstraße in Hannover-Linden steht ein lachsfarbener Cadillac. Vor einem kunstvoll verschnörkelten, schmiedeeisernen Tor, das ein Wappen mit vier goldenen Sternen ziert. Der philippinische Chauffeur ist sehr nett: Mit seinem Samtlappen in der Hand weist er mir den Weg durch den Park. Nach einem Fußmarsch von fünfzehn Minuten taucht hinter einem kleinen Wäldchen endlich die Bulmahn-Villa auf. Ein weißes Herrenhaus im Stile der Jahrhundertwende.

Kaum habe ich die Klingel berührt, öffnet sich die Tür. Edelgard Bulmahn. Die neue Bundesbildungsministerin. Im zartblauen Kostüm. Passend dazu ihre flachen blütenblauen Pumps. „Ah, da sind Sie ja schon“, bugsiert sie mich in die Vorhalle, wo bereits zwei in Rüschenschürzen gekleidete Hausmädchen mit silbernen Tabletts warten, exotische Früchte aus ihrer Heimat darauf. „Ich mache die Tür gern selber auf“, führt die Technologieministerin mich in den Salon. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment“, folgt sie den Zofen hinaus.

Ein heller Raum mit breiter Fensterfront zum Garten. Auf der Terrasse ein perlmuttfarbenes Hundekörbchen. Zwei Zwerg- Chow-Chows beobachten gähnend den hawaiianischen Gärtner, der auf den Knien mit einer Schere in der Hand über den teppichglatt gemähten Rasen rutscht. Bis auf ein Schachtischchen mit vasengroßen Figuren aus Elfenbein und einer Nappacouch ist der Salon leer. An den Wänden hängt nur ein einziges rahmenloses Bild: Ein Araberschimmel mit mächtiger Mähne und wehendem Schweif vor einem orange schimmernden Sonnenuntergang.

„Da bin ich schon wieder“, rauscht Edelgard Bulmahn heran. Sie hat sich umgezogen. Diesmal trägt sie ein schlichtes gelbes Abendkleid, an den Füßen goldene Dianetten, die ihre schmalen Zehen gut zur Geltung bringen. „Davon habe ich noch zehn Paar“, freut sie sich, als sie meinen Blick bemerkt. „Aber kommen Sie, ich zeige Ihnen das Haus.“

Die Abende verbringe sie am liebsten in ihrer Karaoke-Kellerbar, erklärt sie und nimmt das Mikrophon in die Hand. „Gerhard Schröder war auch schon hier. Wir haben Protestlieder gesungen. Degenhardt. Schmuddelkinder“, summt die Ministerin gleich die ersten Verse. „Das Telefon“, unterbricht sie eines der Hausmädchen. „Ich bin gleich wieder da“, flötet Edelgard Bulmahn und läuft hinaus.

Neben der Karaoke-Bar liegt ein schlauchartiger Gang. Am Ende kleine Zielscheiben. Vorne eine Brüstung. „Das ist für meinen Mann“, eilt Edelgard Bulmahn wieder auf mich zu. „Im Winter kann er im Park nicht jagen. Dann übt er hier ein bißchen.“ Hat sie sich wieder umgezogen? Jedenfalls trägt sie jetzt einen mangogrünen Blazer über einer fein ziselierten Bluse. Die leopardenfellgepunkteten Stilettos lassen sie größer erscheinen.

Das Klavierzimmer ist wohl eher das Reich ihrer Tochter. Die Bibliothek läßt sie ebenso achtlos links liegen wie die mit schwarzem Marmor ausgeschlagenen Bäder für ihren Mann und sie. Nur einen kurzen Blick darf ich in ihren Ankleideraum werfen. Schränke voller Kostüme und Abendroben. In den Schuhregalen circa zweitausend Paar. „Natürlich brauche ich nicht so viele Schuhe, aber wissen Sie: Hannover ist ein Zentrum der Schuhproduktion. Und da bekomme ich von den Herstellern ständig neue Kreationen geschenkt. Ich muß ja auch viel repräsentieren. Außerdem habe ich schon ein, zwei Paar für karitative Zwecke versteigern lassen.“ Energisch zieht Edelgard Bulmahn die Tür zu, als ob sie mir das Bord mit den zwanzig brillantbesetzten Brillen vorenthalten will.

„Ich würde Ihnen ja gern etwas anbieten. Aber ich muß jetzt... Termine, Termine“, seufzt sie und verschwindet nach einem festen Händedruck hastig in ihre Garderobe. Unten vor der Haustür wartet der philippinische Chauffeur und fährt mich mit dem Cadillac zum Tor. Dort dreht er sich zu mir um und sagt lächelnd über den Sitz gelehnt: „Sie ist eine großartige Frau. Berichten Sie das ruhig.“ Michael Ringel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen