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Behzad K. Khani über deutsche Angst „Man darf sich wohl noch fürchten!“

Angst ist die letzte Zuflucht der Deutschen: Migranten, Juden, Queers – sie alle bekommen ihren Platz in der dunklen Schublade „Parallelgesellschaft“.

Behzad Karim Khani spricht auf dem taz lab über blühende Kraterlandschaften Foto: Valerie Benner

Von BEHZAD KARIM KHANI

taz lab, 20.02.2023 | Es sind öde Gedankenlandschaften, durch die man fährt, wenn man Deutschland bereist. Überall die gleichen, mal bewirteten, mal brachliegenden, quadratischen Felder, die gleiche Saat, der gleiche Dünger, die gleichen Zyklen, die gleichen Bauern, dieselbe Ernte.

Eine Landschaft so träge und monoton, dass man sich Krater wünscht und Gewalt, auf dass sie eine andere, neue Geschichte erzähle. Auf dass sie dort störe, wo die Trägheit längst selbst Gewalt, selbst Ordnung geworden ist.

Angst, der letzte Zufluchtsort der Deutschen

Portrait von Behzad Karim Khani
Behzad Karim Khani

Behzad Karim Khani, Jahrgang 1977, lebt in Berlin-Kreuzberg und arbeitet als Autor und freier Journalist. 2022 war er für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert. Sein preisgekrönter Roman „Hund, Wolf, Schakal“ erschien bei Hanser Berlin. Er kommt zum taz lab.

Foto: Valerie Benner

Dass eine solche Ordnung jede Schärfe und Schnelligkeit von ihrem Inhalt trennt, Geschwindigkeit selbst als Wert versteht und ablehnt, liegt in ihrer Natur. Wie auch die Angst in ihrer Natur liegt, es könnten neben ihr unkontrollierbare Räume entstehen.

Nicht ohne Grund denkt man sich hierzulande Begriffe wie „Parallelgesellschaften“ aus, erfindet Ängste, denen man sich dann leidenschaftlich hingibt. Angst, der letzte Zufluchtsort der Deutschen.

„Man wird sich ja wohl noch fürchten dürfen, wo man doch nichts mehr sagen darf.“ Wo man so schön aufgeräumt und jedem einen Platz zugewiesen hat. Den Ausländern, den Migranten, den Juden, den Ostdeutschen, den Queers.

Und wo man in Kommentarspalten sich unerfüllbaren Fantasien von Abschiebung und Totschlag hingibt, sobald jemand den Platz nicht einnimmt. Sich nicht den Gesetzen des Funktionierens fügt, keine Posen serviler Dankbarkeit annimmt oder sich erlaubt, eine Trennlinie zu ziehen zwischen Demut und Demütigung.

Die Wut hat eine Geschichte

Kürzlich schrieb ich einen Artikel über die Silvesternacht in Neukölln. Eine Art Pflichtverteidigung eines, zugegeben, offensiven Anwalts, in der ich nicht die Gewalt, aber zumindest die Wut der Straße einzuordnen versuchte, die der Gewalt – nicht nur der Silvesternacht – vorausging.

Eine Wut, die nicht im luftleeren Raum entstanden ist. Die eine Geschichte hat und deutlich weiter zurückliegt als das Nachkriegsdeutschland, in das die ersten Migranten eintrafen und wo noch länger als ein Jahrzehnt nach dem Krieg die Ideen des Naziregimes mehrheitstauglich, die Krematorien noch nicht abgekühlt waren.

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Ich stellte in den Raum, dass es wohl recht schwierig gewesen sein muss, einen Platz zu finden zwischen all den Nazis, die ja nicht verschwunden waren, nur weil das Dritte Reich weg war. Und dann beschmutzte ich wohl die heiligen Böden der Erinnerungskultur, als ich schrieb, dass die Vergangenheitsbewältigung wohl eher so mittel geklappt hat, wenn keine einzige Synagoge oder kein jüdisches Altersheim in Deutschland ohne Polizeischutz auskommt.

Ende der weißdeutschen Monotonie ist notwendig

Was mein Text auch versuchte, war klarzumachen, dass Deutschland gar keine andere Möglichkeit als die Migration hat, wenn es überleben will. Dass Deutschland eine Kultur der Inklusivität braucht, deren Offenheit nicht dabei endet, Flüchtenden am Bahnhof Beifall zu klatschen.

Ob man im Februar noch zum neuen Jahr gratulieren darf? Nun, mir schon. Bei mir ging die Silvesterknallerei nämlich bis vorgestern weiter.

Wenn es also nur um Krater ginge, könnte ich mich jetzt nach getaner Arbeit zurücklehnen, aber es geht natürlich um mehr. Es geht darum, einen neuen, angemessenen Ton zu etablieren. Einen, der uns Migranten, Postmigranten, Ostdeutsche und Juden nicht als Projekte westdeutscher Großzügigkeit, Läuterung, Opferbereitschaft oder Weltoffenheit dominiert.

Einen Ton, der davon zeugt, dass man uns als die unumgängliche Notwendigkeit anerkennt, die wir hier darstellen. Davon, verstanden zu haben, dass wir weder Nähr- noch Schadstoff in der Blutbahn dieses Landes sind, sondern das Blut selbst.

Und davon, dass wir gar keine Zustimmung der Mehrheitsgesellschaft brauchen, die es ohnehin in anderthalb bis zwei Generationen nicht mehr geben wird. Da kann sich die politische Mitte, die Rechte noch so aufregen, drohen und irre Parteien wählen. Mehr als einen Ausdruck ihrer zunehmenden Irrelevanz bekommt sie nicht hin.