Behördliches Begehren : Sozialamt scannt Autofahrer
Jagd auf Spatzen?
Ob sie mit Kanonen auf Spatzen schießen, weiß im Amt für Soziale Dienste derzeit niemand – die Devise scheint hier zu sein: Versuch macht kluch. Klug darüber, wie viele SozialhilfeempfängerInnen unberechtigterweise ein Auto haben. Diesen Menschen soll es, so berichtete der Weser-Report, ab Spätsommer „an den Kragen gehen“. Die Deputation für Soziales hatte das bereits im vergangenen September abgenickt (die taz berichtete).
Ging es bisher aber nur darum, die Daten von Autohaltern und so genannten Sozialhilfe beziehenden „Familienvorständen“ abzugleichen, sollen jetzt alle erwachsenen und Sozialhilfe beziehenden Familienangehörigen eines Haushalts gescannt werden. Doch wem das Sozialamt „an den Kragen gehen“ darf, legt nicht nur das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) fest, sondern auch eine Reihe von Gerichtsurteilen. Das BSHG sieht zwei Fälle vor, wann ein Sozialhilfeempfänger kein Auto haben darf: Erstens den, dass das Auto einen Vermögenswert über den zulässigen Vermögensfreigrenzen darstellt (pro Single knapp 1.300 Euro, pro Haushaltsvorstand 2.300 Euro). Wessen Auto also 2.301 Euro und mehr wert ist, muss es laut Gesetz verkaufen, das Geld verfrühstücken und so lange keine Sozialhilfe beziehen. „Leute, die arm sind, haben vielleicht ein Auto – aber das wird nicht viel wert sein“, meint dazu Martin Lühr von der Beratungsstelle Agab.
Der zweite Fall meint das so genannte „unwirtschaftliche Verhalten“, das das BSHG nicht zulässig findet – ohne dass es hierzu ausdrücklich den Besitz eines Autos zählt. „Gerichte haben darauf verwiesen“, schreibt dazu die Beratungsstelle „Solidarische Hilfe“ in einem Infoblatt, „dass PKW-Haltung dann nicht unwirtschaftlich ist, wenn dem Sozialhilfebezieher weitere Mittel über den Regelsatz hinaus zur Verfügung stehen“. Dies sei der Fall bei Erwerbsminderung, Schwerbehindertenstatus oder dem Bezug von Erziehungsgeld. Wer arbeitet und ergänzende Sozialhilfe bezieht, darf ohnehin ein Auto haben. Dazu zitiert die Solidarische Hilfe ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem ein gewisser Teil der Sozialhilfe frei verfügbar sei, ergo der Empfänger damit machen dürfe, was er wolle – auch ein Auto haben. Leben erwachsene Kinder oder die Oma im Haushalt des Sozialhilfebeziehers, aber verdienen sie ihren Unterhalt selbst – so hat das Amt keinerlei Zugriff auf deren Autos.
Es wird also kompliziert werden mit dem Abgleich. Der Landesbeauftragte für Datenschutz hat bereits angekündigt, ein Auge darauf zu haben, wer wie gescannt werde – damit genau die Oma oder der Azubi-Youngster keine böse Post vom Amt kriegt. Aber dass das je passiere, fürchtet die Solidarische Hilfe zwar, kann es sich aber kaum vorstellen. Denn bereits jetzt seien die Sachbearbeiter in den Sozialzentren total überlastet, die „normale Bewilligung von Rechtsansprüchen“ sei schon „nicht mehr gewährleistet“. Wie sollen die Mitarbeiter da noch Zeit haben, zu schauen, wer in wessen Haushalt ein Auto hat – und das möglicherweise ganz zu Recht? sgi