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Behinderte organisieren sich

■ Viele Behinderte verlieren oft unter psychischem Terror ihre Arbeit

Berlin (adn) - „Alarmierende Nachrichten aus allen Gegenden des Landes belegen: Wir müssen schnell so starke Organisationen aufbauen, daß es nirgends möglich ist, Interessen Behinderter, ihrer Angehörigen und Helfer zu vernachlässigen oder gar zu unterdrücken.“ Das erklärte Dr. Ilja Seifert, Präsident des am Sonnabend gegründeten Behindertenverbandes der DDR e.V., vor der Presse im Freizeit- und Erholungszentrum in der Berliner Wuhlheide. In einem Sofortprogramm formulierten die etwa 250 Delegierten des zweitägigen Gründungskongresses aus allen Teilen der Republik ihre Ziele: Sicherung des Rechts auf Arbeit gerade für Behinderte, deren Familienangehörige und Helfer in der Rehabilitation sowie Durchsetzung des Rechts auf Bildung einschließlich Förderung tatsächlich für alle, entsprechend ihrer Schädigung und unabhängig vom Alter. Als ebenso wichtig schätzte Dr. Seifert ein, menschenwürdiges Wohnen für Behinderte zu sichern.

Auf die Frage, wie viele Menschen mit Behinderungen denn schon ihre Arbeit verloren haben, konnte der Vorstand des Behindertenverband keine exakten Zahlen nennen. Es seien aber viele Beispiele bekannt, wo Aufhebungsverträge unter blankem psychischen Terror gegen die Behinderten zustande gekommen seien. Ämter für Arbeit, ohne deren Zustimmung kein Arbeitsvertrag mit einem Behinderten gelöst werden könne, und der FDGB seien wichtige Partner des Behindertenverbandes im Kampf für die sozialpolitischen Interessen gehandikapter Menschen dieses Landes. Informationen gerade zu diesen Themen wolle die verbandseigene Zeitschrift „Die Stütze“ vermitteln, die ab jetzt alle 14 Tage republikweit erscheint.

Der Behindertenverband der DDR e. V. versteht sich mit seiner vorläufigen Satzung als Dachverband. Ihren Beitritt werden in den nächsten Wochen sowohl Kreis- und Bezirks beziehungsweise Landesverbände erklären als auch republikweit arbeitende Organisationen zum Beispiel die der von Multipler Sklerose, Diabetes oder Allergien Betroffenen oder die Lebenshilfe e.V. Die traditionsreichen Verbände der Blinden und Sehschwachen (BSV) sowie der Gehörlosen und Schwerhörigen (GSV) erklärten auf dem Kongreß, daß sie nicht in den neu gegründeten Behindertenverband eintreten, aber eng mit ihm kooperieren werden.

Zur Finanzierung des Verbandes hieß es, man wolle nicht als Almosenempfänger betrachtet werden. Wichtige Quellen würden die Beiträge der Mitgliedsorganisationen, staatliche Zuwendungen - man habe den Status der Gemeinnützigkeit beantragt -, aber natürlich auch Spenden, Stiftungen und Sammlungen sein. Beim Berliner Stadtkontor wurden folgende Konten eingerichtet: für Mark der DDR 6651-39-89 und für Valuta 6651-57-30850.

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