Befristete Jobs bei Jungforschern: Dr. des. im Dauerstress

Die Bedingungen für junge Wissenschaftler sind in Deutschland schlecht. Über 80 Prozent haben befristete Stellen.

Doktoranden in Jena. Bild: dpa

BERLIN taz | Rajah Scheepers ist beweglich. Die junge Frau habilitiert in Marburg, lehrt in Erfurt und wohnt in Berlin. Ende September läuft ihr Job an der Uni Erfurt aus. Zurzeit schaut sich die promovierte Kirchenhistorikerin nach einer anderen Stelle in einer neuen Stadt um. "Ich hatte in acht Jahren sieben Beschäftigungsverhältnisse", erzählt Scheepers. Falls es mit Nummer acht nicht klappt, überlegt sie aus der Uni auszusteigen. "Ich bin ernüchtert vom Wissenschaftssystem."

Scheepers beruflicher Lebenslauf ist kurvenreich aber nicht untypisch. Fast 200.000 Menschen arbeiten hauptberuflich im Wissenschaftsbetrieb. Nur eine Minderheit hat einen Posten als gut dotierte Professoren auf Lebenszeit. Die Mehrheit, über 145.000, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiter. Von diesen haben über 80 Prozent Verträge, die zeitlich befristet sind, wie das Institut für Hochschulforschung in Halle ermittelt hat. Tendenz steigend. Ebenfalls steigend sei die Zahl der nebenberuflich Beschäftigten. Über 70.000 Lehrbeauftragte werden nur stundenweise bezahlt. Ein Anstieg um über 40 Prozentpunkte seit 2000.

Während sich die Hochschulen im Elite-Wettstreit messen, backen die wissenschaftlichen Mitarbeiter das Schwarzbrot: Sie halten Lehrveranstaltungen, schreiben Anträge für Fördermittel, organisieren Tagungen und Kongresse. Und versuchen nebenbei, ihre Doktorarbeit oder Habilitation fertigzustellen in der Hoffnung auf eine Berufung.

"Die Unzufriedenheit an den Hochschulen ist groß", sagt Andreas Keller, Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die GEW, die vor allem als Lehrergewerkschaft wahrgenommen wird, sieht die Chance, neue Mitglieder zu gewinnen. Letzte Woche veranstaltete sie eine Tagung zum Thema prekäre Beschäftigung an Hochschulen und sammelt seither Unterschriften. Sie fordert Hochschulen und Politik auf, promovierten Mitarbeitern verlässliche Jobaussichten zu bieten und wissenschaftlichen Mitarbeitern mindestens drei Viertel ihrer Arbeitszeit für ihr eigentliches Projekt zu reservieren: die Doktorarbeit.

Die Relationen sind derzeit anders herum - wenn der Professor großzügig ist. Niklas Hofmann hat eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU Berlin. Das heißt, er verdient ungefähr die Hälfte dessen, was ein Mitarbeiter auf einer vollen Stelle bekäme. Das Einstiegsgehalt für eine volle Mitarbeiterstelle ist im Ländertarifvertrag mit 3.064 Euro brutto beziffert. Praktisch arbeitet Hofmann 35 bis 40 Stunden pro Woche für die Uni. Danach widmet er sich seiner Doktorarbeit zu Lateinamerika. Er hofft, dennoch dass er seine Promotion in drei Jahren abschließen kann. Falls ihm der Professor ein Semester freigibt.

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