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Bedingungslose Kapitulation

betr.: „Durch Steuern steuern“ (Bildungsdebatte) von Reinhard Kahl, taz vom 23. 3. 01

[...] Was als die Durchbrechung von bösen, bösen Denkverboten zwecks Rettung des Bildungssystems daherkommt, ist nichts anderes als die bedingungslose Kapitulation vor den Verhältnissen!

[...] Bildungssparen und Bildungskredite will uns Herr Kahl als die neue Gerechtigkeit verkaufen. Während man das Bildungssparen wohl mit einem Wort als das größte Familienbelastungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik bezeichnen könnte (wenn für jedes Kind 18 Jahre lang monatlich 50 Mark gespart werden, wären das 10.800 Mark plus Zinsen – das reicht nicht einmal, um den Lebensunterhalt während eines Studienjahres zu finanzieren), fängt es bei den Bildungskrediten an, richtig ärgerlich zu werden. [...]

Wer monatlich 1.500 Mark von Papi kriegt, braucht sich nicht zu verschulden, die anderen schon – supergerecht Herr Kahl! Noch ärmer sind diejenigen dran, deren Eltern nicht mal für die Studiengebühren (Eigenleistung für Bildungsgutscheine) sparen konnten oder wollten.[...]

Dass nach dem Sachverständigenrat der Hans-Böckler-Stiftung nun auch die Bildungskommission der Böll-Stiftung nur mühsam verschleiert vom Ziel der Chancengleichheit Abschied nimmt und Bildung zum knappen, geldwerten Gut transformiert, ist nicht nur ärgerlich, sondern unverständlich. Welchen Sinn soll es machen, an der Schwelle zur viel beschworenen Wissensgesellschaft den Zugang zu Bildung zu erschweren? Und welches Verständnis von Demokratie, welche Vision von Gesellschaft steckt dahinter, wenn man es nicht für einen selbstverständlichen, unverzichtbaren Bestandteil hält, dass allen der möglichst unbeschränkte Zugang zur Bildung gleichberechtigt, also unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft sich zu verschulden, ermöglicht wird? Was bleibt von Demokratie, wenn Bildung kein Recht mehr ist? [...] UWE GIFFEI, Hamburg

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