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Bedauerlich, fürchterlich etc.Übelste Heimsuchung

■ Mark Beyer: Nach „Agony“ Neues von Amy und Jordan

Einen Vorteil haben sie gewiß, die Comic strips von Mark Beyer: Schlimmer als in diesen Geschichten kann es nicht mehr kommen. So ist es den Lesern überlassen, gleichsam von einer höheren Warte vermeidbaren Unglücks aus, dem entsetzlichen Duo Amy und Jordan zuzusehen, wie es satellitenantennenmäßig die Schläge des Schicksals anzieht, immer Opfer widriger Umstände, jenseits der Gesetze des Tragischen. Amy und Jordan sind die Horrorpuppen ihres Schöpfers Mark Beyer, der sich am Ende des zweiten Strips auf dieser Doppelseite vorwirft, er habe es „nicht zulassen dürfen, daß alles in einen so bedauerlichen Zustand gerät“.

Ein sinnloser Vorsatz, denn Amy und Jordan wären ohne ihr Unglück so interessant wie Kafkas „Prozeß“ unter den Bedingungen des modernen Rechtsstaats. Andererseits überstehen sie die übelsten Heimsuchungen mit der Unverwüstlichkeit von Laurel und Hardy. Anders als die meisten Comics, und vor allem die der Subkultur, lebt Mark Beyers Amy-und-Jordan-Serie nicht von der lustigen Gewalt, der stilisierten Übertreibung. Diese Figuren taugen nicht wirklich zur transitorischen Identifikation. Sie sind und bleiben psychische Aliens.

Die Artifizialität des Entwurfs hat Beyer grafisch paradox codiert: nach dem Bildchenmuster des traditionellen Tageszeitungscomics forterzählt, sind die einzelnen Kapitel diffizil dekorierte Bilderbögen, die mit wechselnder Titeltypografie mal als Holzschnitt daherkommen, dann wieder wie eine Projektion in Cinemascope. Die Episoden erscheinen meistens als Bild-im-Bild, das Ganze als komplexes ornamentales Ensemble, dessen Fragilität selbst den agierenden Figuren, Amy und Jordan, gelegentlich zu Bewußtsein kommt. Ihre ungelenke Knochigkeit und gezielt verschroben präsentierte Perspektive wird konterkariert durch die kunstvolle Anlage der Fläche durch Muster, die Beyer effektvoll wie niemand sonst in der Branche einsetzt, mit Sicherheit geschult an Matisse. Als Vorbilder in der Bilderzählung nennt Beyer „The Kin-der-Kids“ von Lyonel Feininger und George Herrimans „Krazy Cat“.

Mark Beyer, 1950 geboren, hat an der amerikanischen Westküste, in New York und in Japan gelebt. Von Art Spiegelman publiziert (u.a. in RAW) und von der Village Voice gepriesen, gehört er zu den einflußreichsten amerikanischen Illustratoren, extensiv imitiert (bis hin zur Brigitte) – aber alles andere als ein Star der Szene. Eher ein ewiger Holden Caulfield, ein scheuer Eskapist, ist er vor einiger Zeit zurückgekehrt ins heimische Allentown, Pennsylvania, wo er, wie er sagt, als Schüler drangsaliert und gequält wurde und auch jetzt noch den Unmut jugendlicher Konformisten auf sich zieht.

Im letzten Jahr erschien Mark Beyers erstes deutsches Buch, „Agony“ – eine lange Amy-und- Jordan-Geschichte – im Augsburger Maro-Verlag, der im Herbst ein weiteres Buch herausbringt, aus dem diese Strips stammen. Wir zeigen weitere an den folgenden Samstagen. Herausgeber Armin Abmeier, Übersetzung Hannes Riffel, Lettering R.S. Berner. Ulf Erdmann Ziegler

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