Bayern holt nur einen Punkt in Wolfsburg: Verschenkter Sieg
Nach dem Unentschieden gegen Wolfsburg spielt Bayern München von nun an um die Champions-League-Qualifikation. Und die Wölfe tun so, als seien sie auf Erfolgskurs.
Selten hat man nach einem Spiel so viel Klarheit wie nach dem seltsamen 1:1 des ehemaligen deutschen Fußballmeisters VfL Wolfsburg gegen den amtierenden Meister FC Bayern München. Nach dem Rückrundenauftakt gilt: Bayern hat gute Chancen, die direkte Champions-League-Qualifikation zu schaffen. Darum und um sonst nichts geht es für ihn. Und die Wölfe haben Chancen, den Abstieg zu vermeiden. Dagegen nämlich spielen sie.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, das 1:1 sei ein folgerichtiges Ergebnis. Auf jeder Seite machte ein herausragender Spieler einen eklatanten Fehler: hier Torhüter Benaglio, der beim 0:1 Müller anschoss (7.), dort Schweinsteiger, der gegen Schäfer einen Ball verlor, den er nie verlieren durfte, was zu Riethers spätem Ausgleich führte (86.). Dazu kam auf jeder Seite ein verschossener Elfmeter: hier Lahm (21.), dort Grafite (45+3), sowie je ein nicht gegebenes Tor. Das ändert alles nichts daran, dass die Bayern diesen Sieg weggegeben haben, gegen einen Gegner, der in der ersten halben Stunde so was von nicht im Spiel war, dass alles hätte vorbei sein müssen.
"Unglaublich" - Louis van Gaals deutsches Lieblingswort - sei es, dass man so viele Chancen kreiert habe bis zur Halbzeit und doch nur 1:0 geführt. "Und am Ende machen wir wieder einen Fehler und geben den Sieg wieder einmal weg." Tja, knurrte der Bayern-Trainer: "Das ist Fußball in Deutschland." Was immer er damit meint: Es klingt gewaltig. Profan gesprochen zieht es sich durch diese Nach-WM-Saison, dass Bayerns Ballbesitzmaschine zwar schön schnurrt, aber zu oft nicht auf den Punkt kommt.
VfL Wolfsburg: Benaglio - Riether, Kjær, Friedrich, Schäfer - Josué (69. Pekarik), Cicero (46. Cigerci) - Dejagah, Diego (88. Kahlenberg), Mandzukic - Grafite
Bayern München: Kraft - Lahm, Breno, Badstuber, Pranjic (82. Ottl) - van Bommel, Timoschtschuk (69. Luiz Gustavo) - Müller, Schweinsteiger, Ribéry (25. Robben) - Gomez
Zuschauer: 30.000 (ausverkauft) Tore: 0:1 Müller (7.), 1:1 Riether (86.)
Besonderes Vorkommnis: Lahm (Bayern München) verschießt Foulelfmeter (21.), Grafite (VfL Wolfsburg) scheitert mit Foulelfmeter an Kraft (45.+3)
Klar, sagt van Gaal, sein Credo "Alles ist möglich" gelte auch bei nun 16 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Dortmund. Aber wenn man das Kleingedruckte richtig verstanden hat, gilt es nur noch bis zu Platz 2. Er sei nichtsdestotrotz "nicht so unzufrieden".
War ja auch einiges Positive zu notieren: Sein Weltklasseangreifer Arjen Robben ist nach einem halben Jahr zurück, zieht von der rechten Seite wieder zur Mitte und erhöht damit Bayerns kreative Möglichkeiten und den Spektakelfaktor der Liga. Neuzugang Luiz Gustavo kam nach einer Stunde und fügte sich sowohl in der Zentrale neben van Bommel als auch hinten links nahtlos ein.
Der neue und intern kontrovers diskutierte Torhüter Thomas Kraft, 22, hatte einen geglückten Einstand. Er wirkte sicher auf der Linie, zeigte seine Spielaufbaufähigkeiten mit der direkten Vorlage zu Müllers Treffer und berührte Grafites hart geschossenen Elfer so, dass er an die Latte ging. Nur der späte Ausgleich verhinderte eine Heldengeschichte. Die Schlagzeilen der letzten Tage? "Ich mache mir keinen Kopf drum, was geschrieben wird", sagte Kraft. Er sieht auch tatsächlich so aus. Wie gut die neue Jungmänner-Abwehr mit ihm und den Innenverteidigern Breno und Badstuber (beide 21) sein kann, darüber konnte Wolfsburg nicht Aufschluss geben. Das wird spätestens Inter Mailand im Champions-League-Achtelfinale übernehmen.
Es war das erste Spiel des VfL nach dem Verkauf seines einzigen Weltklassespielers, Kapitäns und besten Torschützen Edin Dzeko. Das Tor erzielte einer, von dem es niemand erwartete: Sascha Riether. Ob er der "neue Dzeko" sei, wurde der notorisch torungefährliche Nationalspieler gefragt. "Ja, ja", antwortete er glücklich. Ansonsten hat man dafür derzeit nur noch eine Fachkraft: Grafite. Aber ob 4-4-2 oder nun 4-2-3-1: Der Spielaufbau funktioniert nach wie vor nicht, was nicht nur mit dem dafür Hauptzuständigen Diego zu tun hat. Chancen ergeben sich nur aus Standards.
Die Wolfsburger deuten ihr siebtes Remis in Folge logischerweise so, dass sie für ihr Engagement belohnt wurden. Trainer Steve McClaren sieht die positive Entwicklung der Vorbereitung transformiert in neuen Teamspirit. Und der erstmals eingesetzte WM-Superstar Arne Friedrich war eine echte Verstärkung. Es geht also gefühlt aufwärts.
In der Tabelle stehen indes nur noch vier Teams hinter Wolfsburg.
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