Bayern Münchens Einkaufspolitik: Eine Option mehr oder weniger
Weil der eigene Nachwuchs nicht so viel hergibt, kauft Bayern München Spieler wie Sebastian Rode von Eintracht Frankfurt. Aber wozu?
MÜNCHEN taz | Sebastian Rode hatte am Sonntag beim Bundesliga-Spiel seiner Frankfurter Eintracht gegen Bayern München nicht die schlechteste Position. Er saß zu Hause vorm Fernseher. Eintracht-Trainer Armin Veh hatte den quirligen Mittelfeldspieler von der Partie ausgeschlossen, damit Rode nicht im Eifer des Gefechts die fünfte Gelbe Karte der Saison sieht und so im nächsten, für die Frankfurter aussichtsreicheren Spiel gegen Braunschweig gesperrt ist.
Es gibt Spiele, die ein Fußballer gerne verpasst. Die 0:5-Niederlage beim FC Bayern muss man als Frankfurter nicht mitgemacht haben, und der 23-jährige Rode hatte zudem ein persönliches Interesse, nicht auf einem Niveau deutlich unter den Münchener Welteroberern gesehen zu werden. Er wechselt im Sommer zu Bayern München.
Was dieser Spielertransfer soll, wird in Frankfurt und München auch innerhalb der Vereine debattiert. Zu offensichtlich sind die Mängel des gutklassigen Bundesligaspielers Rode im Vergleich zu Bayerns Weltklasseauswahl. Doch wirft der Einzelfall auch eine grundsätzliche Münchener Frage auf: Wie soll sich eine Elf, die schon die beste der Welt ist, noch verstärken?
Sportdirektor Matthias Sammer hat dazu vor anderthalb Jahren intern ein 2-Säulen-Modell vorgestellt: Einerseits sollten die Bayern absolute Weltklassefußballer verpflichten, andererseits talentierte junge deutsche Spieler. Der Mainzer Verteidiger Jan Kirchhoff war das erste Versuchskaninchen. „Was macht der denn hier?“, fragte ein führender Bayern-Spieler nach nur zwei Trainingswochen rhetorisch einen Vertrauten, so eklatant fiel Kirchhoff offenbar gegenüber den Champions-League-Siegern ab.
Hin und weg
Nach nur einem halben Jahr, in dem er bloß auf ein paar Einwechslungen kam, ist Kirchhoff schon wieder weg, ausgeliehen an Schalke 04. 17 Profis von feinster Qualität hat der FC Bayern im Aufgebot. 23 Fußballer benötigt eine moderne Mannschaft, um Verletzungen aufzufangen und den Besten gelegentlich Pausen zu gönnen. Im Idealfall nutzt der FC Bayern für die Rolle der Ergänzungsspieler Jungen aus seiner Nachwuchsschule. Außer Pierre-Emile Höjbjerg und Julian Green gibt der Bayern-Nachwuchs derzeit aber nichts her. Deshalb müssen für die hinteren Plätze im Team ein paar Kräfte wie Rode von außerhalb geholt werden.
Die Schwäche der derzeitigen Bayern-Junioren ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Öffentlich bricht Trainer Pep Guardiola stets in Lob aus, wenn er nach den Talenten der Reserveelf gefragt wird. In der Realität hat er Jungen wie Patrick Weihrauch oder Alessandro Schöpf nach Tests mit den Profis wieder zurückgeschickt. Fünf Millionen Euro an Gehältern gibt Bayern für seine Junioren-Elf aus, das ist der Personaletat eines hinteren Zweitligisten. Die Bayern-Junioren tun sich nach zuletzt drei Niederlagen schon wieder schwer, Platz eins in der vierten Liga gegen Konkurrenten wie Illertissen zu behaupten.
Keine Überraschungen
Diskutabel ist allerdings, ob es Sinn macht, 23-Jährige wie Kirchhoff oder Rode zu Bayern zu holen. In dem Alter entwickelt ein Spieler selten noch ungeahnte Talente. Müsste Sammer für die Ergänzungsrollen im Team nicht eher Jüngere wie den Freiburger Matthias Ginter holen, fragt sich mancher im Kabinentrakt des Meisterklubs, zumal Rode vor über einem Jahr von Sammer für ein Spielsystem ausgeschaut wurde, das heute beim FC Bayern gar nicht mehr existiert.
Die Frage hört Sebastian Rode, der sympathische Junge vom südhessischen Land, auch schon: Was will der denn da? Dabei ist die Antwort darauf noch am einfachsten: Als 19. Spieler beim FC Bayern sind sein Auskommen und Marktwert im Nu höher als in Frankfurt als Top-drei-Spieler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen