Bayerische Webseite gegen Linksextremismus: Holocaust-Zeitzeuge wird gefährlich
Bayern hat ein Portal gegen Linksextremismus gestartet. Dabei wird auch vor einem 78-jährigen Holocaust-Überlebenden gewarnt. Der Grund: Er ist DKP-Mitglied.
MÜNCHEN taz | Ernst Grube ist ein verdienstvoller Mann. Seit Jahrzehnten berichtet der 78-Jährige als Zeitzeuge vom Nazi-Terror. Er hatte das KZ Theresienstadt überlebt und war 1945 von den Russen befreit worden. 2002 ehrte ihn die Stadt München für sein "unermüdliches Engagement" mit einer Verdienstmedaille.
Doch Ernst Grube ist auch Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und engagiert sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN BdA). Und deshalb steht Grubes Name seit Montag auf einem neuen Internetportal, mit dem das bayerische Innenministerium über Linksextremismus informieren will.
Auf bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de ist zum Beispiel auf einer Karte ersichtlich, wo im Freistaat linksautonome Gruppen aktiv sind und als wie gewalttätig die Szene eingeschätzt wird. Für Lehrer bietet das Portal Materialien und didaktische Vorschläge an. Zeugen linksextremistischer Aktionen finden Verhaltenstipps und Ansprechpartner.
Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, es gebe eine "zunehmende Aggressionsbereitschaft der autonomen Szene", die "Anlass zur Sorge" gebe. Die bayerische Polizei registrierte im vergangenen Jahr 372 linksextremistisch motivierte Straftaten, 2009 waren es noch 303. Über die rechtsextremistische Szene informiert der Freistaat bereits seit 2009 im Portal "Bayern gegen Rechtsextremismus". Die Zahl der Straftaten aus der rechten Szene ist ungleich höher: Die Behörden meldeten im vergangenen Jahr 1.513 rechtsextremistisch motivierte Taten, nach 1.691 im Jahr 2009.
Portal warnt vor Verfolgten des Naziregimes
Kritik am neuen Portal gegen Linksextremismus kommt von Susanna Tausendfreund, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. "In diesem Portal wird vor Gruppen gewarnt, nur weil sie Kritik am bestehenden Regierungssystem äußern", sagte Tausendfreund der taz. "Immer wieder", so sagte sie, "werden zudem Teilnehmer von Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche per se zu Linksextremisten erklärt."
In dem Portal warnt der Freistaat zum Beispiel vor der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN BdA), der nach eigenen Angaben größten antifaschistischen Organisation Deutschlands. In dem 1947 gegründeten Verband organisieren sich Verfolgte und Gegner der Nationalsozialisten. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet den Verband seit Jahren.
Wegen "Verbindungen zur DKP und zu autonomen Gruppen" tauchte der VVN BdA zuletzt 2010 im Verfassungsschutzbericht Bayerns auf. Im Gegensatz dazu stufen die Verfassungsschützer des Bundes den Verband nicht mehr als gefährlich ein. Bis 2006 tauchte er dort noch auf.
"Gerade in Bayern versucht man, den Verband in die linksextremistische Ecke zu stellen", beklagt Ernst Grube. 2010 entdeckte er zum ersten Mal seinen Namen im Bericht der bayerischen Verfassungsschützer. Auf sein Ehrenamt als Zeitzeuge hatte seine Nennung im Verfassungsschutzbericht noch keine Auswirkungen. Der 78-jährige Zeitzeuge wehrt sich gegen die "Verunglimpfung", sieht sich gestärkt durch Unterstützung aus Politik und Kirche. "Ich bin deshalb erstaunt, dass mein Name auch in dem neuen Portal ungerührt genannt wird."
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