■ Baupolitik in Friedrichshain: Lizenz zum Abriß
Daß die Friedrichshainer Baustadträtin Martina Albinus nicht gerade zu den investorenfeindlichen PDS-Stadträten gehört, ist bekannt. Daß sie um der wirtschaftlichen Interessen von Baulöwen willen auch bereit ist, die Berliner Gründerzeitbebauung zu opfern, ist allerdings neu. Abgesehen davon, daß der skandalöse Vorgang rund um die Rigaer Straße ohne eine Hausbesetzung nicht an die Öffentlichkeit gekommen wäre, ist der nun verhängte Baustopp kaum mehr als ein hilfloser Akt von Schadensbegrenzung, der den eigentlichen Kern des Skandals verbergen soll: eine Abbruchgenehmigung aus Profitgier oder auf den bloßen Hinweis, neuen Wohnraum zu schaffen, egal wo und egal wie teuer.
Die Friedrichshainer Investorenfreundschaft ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: So wurde von der Baustadträtin nicht nur der BVV-Beschluß ignoriert, sämtliche Abrißanträge umgehend im Bauauschuß zu debattieren, sondern auch der Konsens der Berliner Baupolitik verlassen: Bisher war es nämlich gute Praxis der Baustadträte aller Parteien, einen Abriß aus rein wirtschaftlichen Motiven zu verweigern. Immerhin gilt in Berlin das Verbot der Zweckentfremdung, und dazu gehört der Abriß von Wohnraum ebenso wie die Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum. Der Rechtsweg, der den Investoren im Falle einer Ablehnung offenbleibt, hat bisher nur in einem Fall in Kreuzberg zur Abrißgenehmigung aufgrund einer „Wirtschaftlichkeitsberechnung“ geführt. In Friedrichshain freilich ist offenbar nicht nur der Rechtsweg offen, sondern bereits das Ohr der Baustadträtin für profitgierige Spekulanten. Die Politik von Martina Albinus ist um so pikanter, als wegen des anvisierten Umzuges des Bezirksamts in das Passagenprojekt eine Interessenüberschneidung nicht auszuschließen ist. Doch auch der Umstand, daß im Zweifel für den Investor und gegen den Bestand von Wohnraum entschieden wird, läßt die Frage zu, ob die Friedrichshainer Baustadträtin in diesem Amt noch länger tragbar ist. Uwe Rada
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