■ Basketball: Scotties Bullen
Berlin (taz) – Im letzten Jahr sorgte beim denkwürdigen Aufeinandertreffen der Chicago Bulls und der New York Knicks in den Play-offs der US-Basketball-Liga NBA noch ein gewisser Michael Jordan für die Schlagzeilen. Erst ließ er sich zu nachtschlafender Zeit in einem Casino in Atlantic City erwischen, spielte nicht besonders – weder im Casino noch auf dem Platz –, verhängte erbost einen Medienboykott und riß die Serie mit vier phantastischen Spielen nach einem 0:2-Rückstand noch zugunsten der Bulls herum.
Doch auch ohne den vom Korb zur Keule gewechselten Jordan hat das große Duell des Ostens nichts von seiner Hitze und Brisanz verloren. Wieder gingen die Knicks 2:0 in Führung, wieder holten die Bulls auf, verloren allerdings die fünfte Partie in New York hauchdünn mit 86:87 und könnten heute bei einer Heimniederlage bereits ausscheiden. Im zweiten Match gab es die übliche Massenschlägerei, und für den Ärger beim Titelverteidiger aus Chicago sorgt diesmal Scottie Pippen.
Viele Jahre lang galt Pippen als „Punk“, der in prekären Situationen die Nerven verliert und sein Team im Stich läßt. Gerade schien er diesem Ruf nach drei Titelgewinnen und einer großartigen Post-Jordan-Saison entronnen zu sein, da sorgte er selbst dafür, daß die alten Geschichten wie die jener Migräne, die seinen Einsatz in einem entscheidenden verlorenen Spiel gegen die Detroit Pistons verhinderte, wieder aufgekocht wurden. Als es im dritten Match gegen New York 1,8 Sekunden vor Schluß 102:102 stand und Coach Phil Jackson den letzten Wurf nicht Pippen, sondern Toni Kukoc zusprach, wechselte sich Pippen empört selbst aus. Kukoc traf, Chicago gewann, dennoch schäumte Pippen, der den Kroaten herzlich verabscheut, weiter. Nicht ohne Grund, denn Sekunden vor dem entscheidenden Wurf hatte Kukoc durch ungeschicktes Angriffsverhalten einen zweiten Abwehrspieler der Knicks in den Weg des ballführenden Pippen bugsiert, was diesen zu einem überhasteten Wurf zwang und New York die Möglichkeit zum Ausgleich gab.
Phil Jackson hat jedoch gelernt, derartigen Animositäten zu begegnen, am nächsten Tag war Pippen brav wie ein Lamm, entschuldigte sich beim Team und trug mit 25 Punkten, acht Rebounds und sechs Assists entscheidend zum 95:83-Sieg der Bulls bei. „Scottie ist kein Kneifer. Ihr habt's gesehen“, atmete nicht nur Kollege John Paxson erleichtert auf.Matti
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