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Basketball-Europameister SpanienIberische Balleroberer

Spanische Ballspieler holen regelmäßig große Titel, wie die Fußballer bei der EM 2008. Das ist auch die Folge des gesellschaftlichen Umbaus. Jetzt sind die Basketballer Europameister.

Der wichtigste Zeigefinger nach dem von E.T.: Pau Gasol küsst seine Goldmedaille nach dem Sieg über Serbien. Bild: dpa

BARCELONA taz Seit der Außerirdische E.T. 1982 im Kinofilm von Steven Spielberg versuchte, mit seinem leuchtenden Finger nach Hause zu telefonieren, hatte Spanien nie mehr so aufgeregt einen Zeigefinger betrachtet wie den linken von Pau Gasol in den jüngsten zwei Wochen. Eine Sehne im Finger war Spaniens emblematischem Basketballspieler im Trainingslager zur Europameisterschaft gerissen, der Präsident der Spanischen Gesellschaft für Handchirurgie operierte höchstpersönlich, und Gasol, der mit den Los Angeles Lakers dieses Jahr die NBA gewonnen hatte, absolvierte die EM in Polen ohne eine Vorbereitungspartie.

Sein Finger im weißen Verband zeigte zum Himmel nach dem 85:63-Sieg im Endspiel am Sonntag in Kattowitz gegen Serbien, und wer dem Fingerzeig des überragenden EM-Spielers folgte, hinaus aus der Halle, sah mehr als nur Spaniens ersten EM-Sieg im Basketball nach sechs verlorenen Finals zuvor. Der Triumph der Basketballer, die 2006 bereits die WM erobert hatten, fügte sich zu all den Erfolgen, die Spanien in den jüngsten fünf Jahren zur erfolgreichsten Ballspielnation erhoben.

Mal abgesehen von angelsächsischen Spleens wie Rugby oder Kricket, eroberten Spaniens Männerteams alle relevanten Ballsportarten. Die Handballer wurden 2005 Weltmeister, Volleyballer und Hockeyspieler gewannen Europameisterschaften. Sogar die Fußballer mit ihrem Motto "Wir spielten gut wie nie und verloren wie immer" überwältigten beim EM-Gewinn 2008. Spanien ist chronisch erfolgreich. Wer nach den Gründen sucht, landet schnell im Tal der Gefallenen nahe Madrid - am Grab des Diktators Franco.

Francos Tod 1975 öffnete Spanien den Weg in die Demokratie. Auf dem neuen, zarten Wohlstand der Nach-Franco-Zeit lebte eine von der Unterdrückung befreite Nation ihren Aufstiegshunger auch im Sport aus. Die Generation, die nun triumphiert, geboren in den Achtzigern, war die erste, die von Kindheit an ordentliche Sportanlagen vorfand, die sich reichhaltig ernährte - und in der fast jeder Junge in den Sportverein ging. Leistungssport war cool in den Neunzigern in Spanien.

Eine simple Zahl aus dem Nationalen Institut für Statistik sagt etwas über die Basis des spanischen Aufstiegs: Die erste Generation, die nach der Franco-Diktatur geboren wurde, ist im Schnitt neun Zentimeter größer als die Spanier 25 Jahre zuvor. "Ernährung, Sportgeräte, alles; es war eine andere Welt", berichtete einer der wenigen spanischen Sporthelden der Franco-Zeit, der Tour-de-France-Sieger von 1959, Federico Bahamontes: "Ich klaute mir das Essen auf den Trainingsfahrten von Campingtischen", und Manuel Santana, Spaniens einziger Wimbledon-Sieger des 20. Jahrhunderts, "baute sich seinen Tennisschläger noch aus dem Holz eines Stuhls. Wir hatten nichts. Laufbahnen, Tennisplätze, das gab es nur in Madrid oder Barcelona."

Spanien wurde ein anderes Land, die Eliteförderung erhielt Struktur, wobei bis heute auffällt, dass in allen Ballsportarten das spielerische Element extrem trainiert wird, der Pass, die Passkombination. Doping wird im Ausland gerne als ein weiteres Geheimnis des spanischen Erfolgs genannt. Tatsächlich will man in einem Land, das noch jungfräulich nach Helden lechzt, Betrug einfach nicht sehen.

Ein Finger mit Tapeverband war in der Luft am Sonntag, und Pau Gasol, geboren 1980, 2,13 Meter groß, sah auch aus wie Andrés Iniesta oder Xavi, die Fußballhelden, beide gut 45 Zentimeter kleiner. Die demütigen Auftritte sind kein Zufall: Sich in die Gruppe einzufügen, ist in der spanischen Erziehung bis heute wichtiger als die mitteleuropäische Förderung des Individuums. So gab sich Pau Gasol erst eine gute Stunde nach Turnierende wie ein Außerirdischer. Er musste nun, wie E.T., erst einmal nach Hause telefonieren.

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