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Barbara Strohschein über László Márton

Ein Uroboros ist eine Schlange, die Ewigkeit im Symbol, die sich selbst erzeugt und verschwinden läßt. Sie taucht auf, schlängelt sich und endet, wo sie angefangen hat. „Vielleicht habe ich keine Lust zu entweichen, vielleicht werde ich trotz meiner Lust entweichen.“ Präsent in diesem Satz ist der aus Budapest stammende Autor László Márton, ein Homme de lettre par excellence. In seinem Roman „Glasüberquerung“, (aus dem er heute im Literaturhaus lesen wird), läßt Márton das erzählende Ich aufscheinen und verschwinden. Sein Erzählen bildet nicht Realität ab, sondern schafft mit Wörtern eine eigene lebendige Welt. Der Autor ist „die Reihenfolge dieser niedergeschriebenen Wörter“. In „Glasüberquerung“ verschränkt er die ungarische Geschichte mit der griechischen Mythologie in einem Erzählstrang, in dem sich das „Ende der Geschichte“ überhaupt prismatisch bricht.

Der Erzählduktus Mártons gleicht einem Bewußtseinsstrom, in dem Wissen, Erfinden, Form und Inhalt nahtlos und unbemerkt ineinander übergehen. Mártons Erzählstil, eigenwillig, phantasie- und kenntnisreich, verleitet zu einem mehrperspektivischen lustvollen Lesen, das dem Wandern und Entdecken in verschiedenen Welten entspricht. Márton, 1959 in Budapest geboren, siebzehnjährig die deutsche Sprache mit Goethes Die Leiden des jungen Werther lernend, studierte Hungarologie, Germanistik und Soziologie. Er übersetzte Luther, Gryphius und Novalis, veröffentlichte den Erzählband Groß-Budapester Schrecken, die Romane Asyl, Haltestelle im Unterbewußtsein und Glasüberquerung. Neben Hörspielen verfaßte er vier in Budapest uraufgeführte Theaterstücke. Ein Autor, der nicht nur vielgestaltig erfindet, sondern das Erfinden reflektiert – heute selten genug in der literarischen Landschaft. So bleibt zu hoffen, daß seine Werke bald vollständig übersetzt und den deutschen Lesern zugänglich werden.

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