Bankpleite in Island: Präsident stoppt Sparer-Entschädigung
Nach dem Veto des Staatspräsidenten folgt eine Volksabstimmung darüber, ob der Staat die ausstehenden Zahlungen von 4 Milliarden Euro übernehmen wird.

STOCKHOLM taz | Islands Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson hat am Dienstag mit seinem Veto das Inkrafttreten eines Gesetzes gestoppt, das die Entschädigung hunderttausender ausländischer Kunden der pleitegegangenen Icesave-Bank durch den Staat vorsah. Das Icesave-Gesetz war kurz vor Jahreswechsel mit knapper Mehrheit vom Parlament verabschiedet worden, aber auf breiten Widerstand in der Bevölkerung gestoßen. "Nun soll das Volk entscheiden", erklärte Grímsson auf einer Pressekonferenz. Nach der Verfassung führt ein Präsidentenveto automatisch zu einer Volksabstimmung.
Die Internetbank Icesave war eine Tochtergesellschaft der isländischen Privatbank Landsbanki, die im Oktober 2008 vor einem drohenden Bankrott verstaatlicht worden war. Sie hatte vor allem in Großbritannien und den Niederlanden mit extrem hohen Zinsen rund 340.000 SparerInnen gelockt. Weniger um die grundlegende Verpflichtung Islands für diese Einlagen als um die genaue Höhe und die Zahlungsmodalitäten war es dann zu einem Streit zwischen den Regierungen in London, Den Haag und Reykjavík gekommen. Ein nach monatelangen Verhandlungen geschlossenes Abkommen sollte Island verpflichten, die von Großbritannien und den Niederlanden den dortigen SparerInnen vorgeschossenen Gelder innerhalb der nächsten 15 Jahre zurückzuzahlen.
Die 4 Milliarden Euro, um die es geht, wären auf deutsche Verhältnisse übertragen 1,1 Billionen Euro oder rund das 50-Fache der umstrittenen schwarz-gelben Steuersenkungspläne. Und allein die von London und Den Haag geforderten Zinsen entsprechen einem Halbjahresbudget des gesamten isländischen Gesundheitswesens.
70 Prozent der Bevölkerung lehnen das umstrittene Abkommen ab. Eine Petition gegen das Gesetz wurde in wenigen Tagen von 63.000 IsländerInnen, mehr als einem Viertel der Wahlberechtigten, unterschrieben. "Die Spekulationsgewinne wurden privatisiert, die Verluste sollen nun nationalisiert werden", sagt der Schriftsteller Einar Már Gudmundsson, einer der "Icesave"-Kritiker.
Für den Fall des Scheiterns des Gesetzes bei der Volksabstimmung - und dieses scheint sicher - hat die rot-rot-grüne Regierung ihren Rücktritt angekündigt. Mangels alternativer parlamentarischer Mehrheiten dürfte es dann Neuwahlen geben. Der Internationale Währungsfonds hatte seine zur Vermeidung eines Staatsbankrotts gewährten Kredite von der Regulierung der Icesave-Spareinlagen abhängig gemacht. Ebenso wie Brüssel diese Frage mit der eines möglichen EU-Beitritts des Landes verknüpft hatte.
"Wir können vor unseren internationalen Verpflichtungen nicht davonlaufen", sagte deshalb Islands Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden