Bandporträt Songhoy Blues: Motorroller in Bamako
Die Band Songhoy Blues wurde von Islamisten verfolgt und ist in die malische Hauptstadt geflohen. Nun kommt das Quartett auf Tour.
Kann es so etwas wie den Blues eines Volkes geben? Musik für alle? Die Band Songhoy Blues aus Mali versucht sich an diesem Gedanken. „Wir möchten Botschafter unserer Ethnie sein“, schreiben sie. Momentan leben sie im Exil.
Die Songhoy zählen knapp fünf Millionen Menschen. Im Vielvölkerstaat Mali bilden sie damit die fünftgrößte Bevölkerungsgruppe – nach den Tuareg, mit denen sie in Gao und Timbuktu zusammenleben. Die Weltöffentlichkeit nahm von jener Region zuletzt Notiz, als 2012 ein Aufstand von Tuaregs – seit der Gründung des Landes im Clinch mit der Zentralregierung in Bamako – von Islamisten gekapert wurde. Die Gotteskrieger vertrieben säkulare Kräfte und errichteten zeitweilig ein Scharia-Regime. Mit auf der Verbotsliste steht seither unislamische Musik.
Auftritte sind verboten, Instrumente werden zerstört, die neuen Machthaber drohen, Musikerhände abzuhacken. Nicht nur die bekannte Tuareg-Band Tinariwen flüchtete deshalb. Auch Garba Touré, Aliou Touré und Oumar Touré haben den Norden Richtung Bamako verlassen.
Die drei Songhoys formen hier mit dem Schlagzeuger Nathanael Dembélé eine Band. Früher hatten die Tourés vor allem Jimi Hendrix und Fela Kuti gehört. Nach ihrem ersten Konzert beginnen sie, eigene Stücke zu schreiben. Songhais, Fulbe und auch einige Tuaregs bilden meist ihr Publikum. Wohl auch, weil sich Songhoy Blues direkt an sie wenden: „Soubour“ heißt einer ihrer Songs. Tröstend fordert er die Gestrandeten auf, sich in Geduld zu üben.
Musikerhände abhacken
2013 war der Produzent Marc-Antoine Moreau, der auch mit Amadou & Mariam arbeitet, in Bamako, um eine neue Besetzung für das Projekt „Africa Express“ zusammenzustellen. Moreau hat es 2006 mit dem britischen Popstar Damon Albarn gegründet, um afrikanische, europäische und US-Künstler zusammenzubringen und Auftritte sowie Aufnahmen zu organisieren. Als Songhoy Blues davon erfahren, laden sie Moreau nach Bamako ein. Der Franzose ist überzeugt und holt Nick Zinner von der New Yorker Band Yeah Yeah Yeahs ins Boot, gemeinsam produzieren sie das Quartett in Bamako.
Album: Songhoy Blues "Music in Exile" (PIAS/Transgressive/Rough Trade)
Live: 6.11. Berlin "Berghain Kantine"; 7.11. Weißenhäuser Strand "Rolling Stone Alnighter"
„Soubour“ landet auf der Africa-Express-Kompilation „Maison des Jeunes“. Songhoy Blues tritt mit Albarn bei dessen Konzerten in London auf. Im Dokumentarfilm „They Will Have To Kill Us First“ der Regisseurin Johanna Schwartz über die Exilantenszene Bamakos übernehmen sie eine Hauptrolle. „Africa Express ist eine Plattform für jeden, der die Chance bekommt, an ihr teilzunehmen – und sehr viele Künstler würden das gerne“, schreiben Songhoy Blues per E-Mail. Sie freuen sich auf ihre Tour durch Deutschland. Letztes Mal sei es sehr kalt gewesen, umso mehr haben sie auf der Bühne eingeheizt. Aliou Touré am Mikro ist ein mitreißender Performer. Manch einer sah sich bereits zu einem Vergleich mit dem charismatischen Fela Kuti veranlasst.
Im Gepäck haben Songhoy Blues auch ihr kürzlich erschienenes Debütalbum „Music in Exil“. Darauf sind groovende Uptempo-Funksongs wie „Irganda“, aber auch „Wüstenrock“ im Stile von Tinariwen, „Al Hassidi Terei“ etwa. Die Gitarren tänzeln hier rasant durch ein Stop-and-go, wie die Motorroller, auf denen die Bandmitglieder durch den dichten Verkehr Bamakos jagen. In den malischen Medien, von der Bevölkerungsmehrheit der Mandé kontrolliert, taucht Songhoy Blues nur selten auf.
Obwohl das Quartett auch viele Menschen aus dem Süden begeistert. Von sich selbst sagt die Band, sie mache „malische Musik“. So auch der Song „Mali“, ein Appell an die Solidarität, dem Finale ihres Albums. Hier hinterfragt Aliou Touré alle Malier im Namen von Modibo Keïta. Der panafrikanische Staatsgründer Malis wäre not amused über die aktuelle Lage.
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