: Balladen aus der Hüfte
The Big Taarab Orchestra from Zanzibar im Schlachthof. Sich versenken kann man in die Musik – oder wegnickern
Sommer daheim. Sehnsuchtsschweiß. Fantasiereisen in märchenhaft verbrämte Gegenden. Mit Wohlfühl-Effekt. Das versprach das Gastspiel des Big Taarab Orchestra from Zanzibar. Sansibar! Divan statt Sofa. Wasserpfeife statt Zigarette. Sanfter Seewind, der die Tropenhitze verwirbelt. Inselmythen. Sansibar. Da will man hin. Mehr als ausverkauft also der Schlachthof.
Wer eben noch wässerigen Mundes ein mit Muskat, Kardamom, Nelken, Zimt und Tamarinde verfeinertes Curry imaginierte und auf der Gewürzinsel eine würzige Folklore vermutete – wird enttäuscht. Ein wohlig sahniger Sound wird aufgeschäumt. Musik wie ein lethargisierend schwüles Vanille-Parfüm.
Nach einem preludierenden Solo der arabischen Großlaute Oud intonieren abendländische Violinen in eigentümlich verhaltenem Tuttisatz die Melodie, gemächlich akzentuiert von zwei Akkordeon-Spielern, Damenchor und Vorsänger. Die Perkussionisten verschleppen das Tempo, einem Kontrabassisten genügen auch mal drei Töne für den stoisch entspannten Puls. Von schillernder Verspieltheit ist nur der Mann an der Kanun-Zither. Improvisatorisch führt er die einzelnen Musikgruppen zusammen. Sängerinnen geben mit arabisch geschulter Tonbildung poetische Ballade zum Besten – oder huldigen dem afrikanischen Sprechgesang.
Sansibar als Kulturen mixendes Handelszentrum zwischen Asien, Orient, Okzident und Afrika: selten spürt man die Geschichte eines Landes so deutlich – wie in der Taarab-Musik. Auch wenn alles so unspektakulär nach Feierabend klingt, frei von Showeffekten.
Die Salonmusik ward um die vorletzte Jahrhundertwende im Sultanspalast der Insel geboren. Neu geboren wird sie in der zweiten Konzerthälfte. Die verblüffend einförmige und introvertierte Musizierhaltung weicht ausgelassener Partylaune. Harscher abgemischt, rhythmisch betonter, variantenreicher und forcierter gespielt. Sängerinnen lassen die Hüften hüpfen und rotieren. Bis der Popo zuckt, sich mit viel Feingefühl um einen imaginären Penis windet. Sommer daheim. Wohlfühlen live – und echter Tanzschweiß. Sansibar! fis