: Bahnhof Altona vor dem Aus
■ Mit Beginn des Sommerfahrplans geht der Pannenbahnhof vom Netz / Wirtschaftliche Katastrophe für den Bahnhofshandel Von Jürgen Oetting
Der Altonaer Bahnhof wird mit Ablauf des Winterfahrplans am 27. Mai vom Streckennetz abgekoppelt. Das entschied gestern der Vorstand der Bahn AG in Frankfurt. Allein vier Autoreisezüge pro Tag sollen noch in Altona abgefertigt werden. Mit dieser Entscheidung hat die Konzernspitze drastische Konsequenzen aus den Pannen der letzten Wochen gezogen.
Der Kopfbahnhof war nicht mehr aus den Schlagzeilen gekommen, seit am 13. März ein hochmoderner Stellwerkscomputer die Verkehrslenkung übernommen hatte. Mehrere tagelange Totalausfälle des Bahnhofes und ständige Teilausfälle hielten die Reisenden in Atem und sorgten bundesweit für Verspätungen im Streckennetz der Bahn AG. Anfangs gab man Fehlprogrammierungen im Siemens-Compter die Schuld. Später wurde eingeräumt, daß die Bahnbediensteten nicht in der Lage sind, die Anlage zu bedienen.
Während der Krisenwochen griff die Bahn auf ein Notprogramm – das zum Teil immer noch in Kraft ist – zurück und wickelte den gesamten Verkehr nach Norden über einen einzigen Bahnsteig in Pinneberg ab. Der Verkehr nach Süden begann im Hauptbahnhof. Die Anbindung der Ausweichbahnhöfe an Altona erfolgte über die S-Bahn.
Aus diesem Notprogramm soll jetzt eine Dauerlösung werden. Ab 28. Mai startet und endet der gesamte Regionalverkehr von Schleswig-Holstein nach Hamburg in Pinneberg, der Fernverkehr wird vom Hauptbahnhof abgewickelt und in Richtung Norden an Altona vorbeigeführt – mit einem dann planmäßigen Halt in Pinneberg.
Zur Zeit prüfen die Planer der Bahn, ob die S-Bahnen das durch die Zubringerfunktion stark erhöhte Fahrgastaufkommen verkraften können. Wenn nicht, sollen spezielle Zubringerzüge – wohl im Halbstunden-Rhythmus – von Altona zum Hauptbahnhof und nach Pinneberg – eingerichtet werden. S-Bahnen also, die aussehen wie Nahverkehrszüge und der Altonaer Planungsruine eine letzten Hauch von Bahnhof geben könnten.
Doch dieser Hauch dürfte den vielen Geschäften des Bahnhofshandels und der Bahnhofsgastromomie nicht die notwendigen Umsätze sichern. Und auch das bald fertiggestellte InterCity-Hotel direkt neben den Gleisen dürfte jetzt ein ökonomischer Flop werden – obwohl das Hotel bald mit seiner „ruhigen Lage“ werben könnte. Die beunruhigten Geschäftsleute wollen sich nächste Woche zu einer „Interessengruppe Bahnhof Altona“ zusammenschließen und versuchen, die Bundesbahn von ihren Stillegungsplänen abzubringen.
Und was ist mit dem millionenteuren neuen Computerstellwerk? Bahnsprecher Helmut Kujawa beruhigt: „Die Anlage wird nicht arbeitslos, sie regelt auch den Verkehr in Eidelstedt, Langenfelde und Pinneberg.“ Leider.
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