Bahn macht City laut: Jenseits der Baugrube
Der Gleisausbau für den Güterverkehr in der Innenstadt wird nicht gestoppt. Jedoch könnte die Deutsche Bahn zu mehr Lärmschutz verpflichtet werden.
Das Gleis 1 am Bremer Hauptbahnhof kann weiter für den wachsenden Güterverkehr ausgebaut werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen jetzt beschlossen (Aktenzeichen 1 B 155/12).
Es wies damit zwar den Eilantrag des Anwohners Walter Rufflers ab. Zugleich stellte das Gericht jedoch fest, dass die „grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle“ für ihn schon mit der heutigen Lärmbelastung „überschritten“ sei. Und es schloss zumindest nicht aus, dass in der Bahnhofsvorstadt viel mehr Betroffene als bisher Anspruch auf besseren Lärmschutz haben könnten. Das könnte auch für andere Bauprojekte der Bahn von grundsätzlicher Bedeutung sein. Ein Urteil des OVG steht allerdings noch aus.
Bei dem Vorhaben geht es um die „Ertüchtigung“ der Strecke nach Oldenburg, zwei Abstellgleise sollen dafür auf einer Strecke von knapp 600 Metern miteinander verbunden werden. Das dient der Anbindung des gegenwärtig im Bau befindlichen Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven. Und bringt später auch in Bremen erheblich mehr Verkehr und Lärm mit sich: 2015 könnten hier Schätzungen zufolge neben den Personen täglich 280 Güterzüge durch die Innenstadt rattern – das sind noch mal 56 mehr als bisher schon. Und mehr als die Hälfte aller Güterzüge auf dieser Strecke fährt nachts. Vor Rufflers Haus, das keine 20 Meter vom Bahndamm mit seinen sechs Gleisen entfernt steht, ist für die Züge bereits Tempo 100 erlaubt.
Im Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes (EBA) wurde Rufflers Haus nicht weiter berücksichtigt – es steht zwar an der betroffenen Bahnlinie, aber bereits über 400 Meter von der Baustelle entfernt, also etwa eine Güterzuglänge. Die Bahn sprach ihm deswegen das Recht ab, überhaupt klagen zu dürfen. Und als es um den Lärm ging, wurde zunächst nur bei jenen gemessen, deren Grundstück innerhalb der Baustrecke liegt. Denn laut dem bei der Bahn gängigen, so genannten „Baugrubenmodell“ muss sie nur dort für Lärmschutz sorgen, wo gerade neu gebaut wird.
Ob das „willkürfrei“ ist, darüber will das OVG erst später entscheiden. Es schließt aber zumindest nicht aus, dass die Lärmschutzinteressen der AnwohnerInnen bisher „unzureichend“ berücksichtigt wurden. Auch eine „räumliche Erweiterung“ des bisherigen Lärmschutzkonzepts hält es für durchaus denkbar. „Das wäre ein Meilenstein in der Bahnlärm-Rechtsprechung“, sagt Ruffler – und könne auch anderenorts Folgen haben. Entsprechend hartnäckig sei der Widerstand der Bahn. Zwar könnten etwa die AnwohnerInnen aus der Roon oder der Manteuffelstraße den Ausbau von Gleis 1 auch dann nicht stoppen. Aber mehr Lärmschutz bekommen, oder überhaupt welchen.
Über 90.000 BremerInnen sind schon jetzt nachts mehr Bahnlärm ausgesetzt, als zulässig ist, sagt das Verkehrsressort, tagsüber sind es immer noch über 40.000, bei denen die Immissionen über dem Grenzwert liegen. Jeder Dritte in Bremen ist Bahnlärm ausgesetzt – das ist, vergleicht man 27 Ballungszentren mit mehr als 250.000 EinwohnerInnen, immerhin Platz sieben auf einer nach oben immer lauter werdenden Skala.
Für Ruffler sind neue Lärmschutzwände oder fenster aber nur ein „Notnagel“. Er will in erster Linie erreichen, dass nicht noch mehr Güterzüge als bisher bei ihm vorbeirattern. Ruffler plädiert für den Ausbau der Strecke Oldenburg–Cloppenburg–Osnabrück als Alternative, die aber ist bislang eingleisig und nicht elektrifiziert. Das OVG beanstandet jedoch nicht, dass das EBA „keine realistische Alternative“ zum Ausbau von Gleis 1 sieht.
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