Bafög und Arbeitslosengeld: Spendierlaune im Bundestag
Stundenten erhalten künftig 10 Prozent mehr Bafög, ältere Arbeitslose bis zu sechs Monate mehr Arbeitslosengeld - und alle müssen weniger in die Sozialkassen abführen.
BERLIN taz Kurz vor Beginn der Weihnachtszeit herrscht in Berlin bereits Spendierlaune: Der Bundestag beschloss am Freitag die Senkung des Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung, die Erhöhung des Bafögs sowie die verlängerte Auszahlung von ALG I an Ältere.
Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung sinkt von 4,2 auf 3,3 Prozent des Bruttolohns. Das ist so niedrig wie seit den 80er Jahren nicht mehr. Von einem Gehalt von beispielsweise 3500 Euro werden künftig nur noch 58,75 Euro statt 73,50 Euro für die Versicherung abgezogen - pro Jahr macht das eine Ersparnis von 177 Euro. Bei einem Monatsgehalt von 2000 Euro werden 108 Euro eingespart.
Grüne und Linksfraktion lehnten die Senkung ab. Das Geld fehle der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung von Arbeitslosen. Die FDP kritisierte den Beschluss als inkonsequent. Eine Reduzierung auf bis zu 2,7 Prozent sei möglich, sagte Generalsekretär Dirk Niebel.
Das BAFöG steigt - allerdings erst ab Oktober 2008 - um zehn Prozent. Der Höchstsatz für Studenten liegt dann bei 643,50 Euro monatlich, derzeit sind es 585 Euro. Es ist die erste Erhöhung seit 2001. Gleichzeitig steigen die Freibeträge um acht Prozent, wodurch 100. 000 junge Leute zusätzlich unterstützt werden. Laut Bildungsministerin Annette Schaven (CDU) bekommt dann fast jeder dritte Antragsberechtigte BAFöG.
Studenten mit Kindern unter zehn Jahren erhalten künftig einen Zuschlag von bis zu 113 Euro monatlich für die Betreuung. BAFöG-Empfänger dürfen statt wie bisher 250 Euro nun 400 Euro ohne Abzüge hinzuverdienen. Förderberechtigt sind künftig auch Studenten, die ihr Studium im Ausland absolvieren.
Die BAFöG-Erhöhung wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU und SPD sowie der FDP verabschiedet. Die Linksfraktion stimmte gegen das Gesetz. Sie kritisierte, dass bis 2010 keine neuen BAFöG-Erhöhungen vorgesehen seien. Die Grünen enthielten sich mehrheitlich und ihr Hochschulexperte Kai Gehring kritisierte das Vorhaben als "halbherzig."
Der umstrittenste Punkt war am Freitag im Bundestag die Verlängerung des Arbeitslosengeld I für Ältere. Dem Beschluss zufolge sollen über 50-jährige 15 Monate Alg I erhalten, über 55jährige 18 und über 58 jährige 24 Monate. Die Empfänger müsse aber im Vorfeld der Arbeitslosigkeit zwischen 30 und 48 Monaten versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Derzeit wird das Alg I bis zu zwölf Monate, an über 57jährige bis zu 18 Monate gezahlt.
Man gaukle den Älteren damit eine "Scheinsicherheit" vor, kritisierte die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer. "Sechs Monate länger ALG I ist doch in heutigen Zeiten kein existenzieller Sicherheitsgurt." Auch werde das Geld "für die verlängerte Zahlung an eine ausgewählte Gruppe Bessergestellter" im wesentlichen aus dem Topf genommen, "der eigentlich für die Förderung und Qualifizierung der Arbeitslosen bereitgehalten wird".
Auch sich selbst bedachte der Bundestag am Freitag bei seinen vorweihnachtlichen Geschenken: Die Diäten der Abgeordneten sollen bis 2009 von derzeit 7009 auf 7668 Euro im Monat steigen. Die Opposition stimmte dagegen, in der SPD gab es 14 Enthaltungen, in der der Union eine. Bundesvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) rechnete vor, dass jeder Bundesbürger damit pro Jahr für jeden Abgeordneten sechs Cent mehr an Steuern bezahlen muss. Das macht 36, 78 Euro.
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