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Bäumchen wechsel DichKeine Pfiffe für die Abtrünnigen

Vizemeister SG Flensburg-Handewitt besiegt EHF-Pokalsieger Frisch Auf Göppingen im Kampf um Platz fünf der Handball-Bundesliga - und verabschiedet mal wieder vier Leistungsträger.

Überraschung: Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes. Bild: dpa

FLENSBURG taz | In der Flensburger Campus-Halle war gerade Halbzeit, da liefen auf den TV-Schirmen die ersten Verlierer-Interviews mit Handballspielern des HSV Hamburg. Die hatten gerade das Halbfinale der Champions League gegen Ciudad Real verloren. Wer Schadenfreude über die Niederlage des Konkurrenten aus der Großstadt erwartet hatte, sah sich getäuscht. "Schade", war der Grundtenor. Und das, obwohl es schon fast Tradition an der Förde ist, dass beim Saisonabschluss einige ihrer Besten Richtung Elbe verabschiedet werden.

So war es auch am Samstag vor ausverkauftem Haus gegen Frisch Auf Göppingen. Torwart Dan Beutler, der letzte Spieler aus der Meistermannschaft von 2004, gab nach acht Jahren und 340 Pflichtspielen seinen Ausstand mit einer Sahne-Vorstellung. Die 19 Paraden und zwei gehaltenen Siebenmeter des Schweden wurden von den 6.000 Zuschauern frenetisch bejubelt. Kein Pfiff war zu hören, obwohl er genauso zum HSV Hamburg wechselt wie der verletzte Rückraumspieler Oscar Carlén.

Bei dem Spiel gegen Göppingen ging es nur noch um den fünften Platz in der Tabelle - beide Mannschaften sind bereits für die nächste Auflage des EHF-Pokals qualifiziert, den die Göppinger gerade gewonnen haben. Das Resultat: Die verletzungsgeschwächten Flensburger siegten gegen feiergeschwächte Göppinger souverän mit 28:23.

Die Hälfte der Flensburger Treffer erzielte dabei der hervorragend aufgelegte Linksaußen Anders Eggert, der damit vor dem letzten Spiel der Flensburger bei der HSG Ahlen-Hamm nur noch einen Treffer Rückstand in der Torjäger-Tabelle der Bundesliga hat.

"Danke für großen Kampf in schweren Zeiten" - lautete schon vor dem Spiel die Botschaft der Flensburger Fans an ihre Mannschaft. Kein Gejammer über das Rausfallen aus der Spitzengruppe oder den erneuten Verlust von Top-Spielern, zu dem auch die Abgänge von Patrik Fahlgren und Lasse Boesen beitragen.

Stattdessen Anerkennung für das Erreichen des DHB-Pokal-Finales und des Viertelfinales der Champions League. "Drei Beinbrüche in einer Serie habe ich auch nicht erlebt", sagt Trainer Ljubomir Vranjes. "Wenn man bedenkt, wie viele verletzungsbedingte Ausfälle wir hatten, war beides eine großartige Leistung."

Der Trainer-Neuling, der das Amt im laufenden Wettbewerb vom ebenfalls zum HSV Hamburg wechselnden Per Carlèn übernahm, gehört selbst zu den positiven Überraschungen der Saison. Unter seiner Regie ist die Mannschaft flexibler und spielstärker geworden. Und für die kommende Saison hat Vranjes die Planungen fast abgeschlossen.

Für Dan Beutler kommt dessen Kollege im schwedischen Nationalteam Mathias Andersson aus Großwallstadt, für den Rückraum wurden die deutschen Nationalspieler Holger Glandorf und Lars Kaufmann verpflichtet. Kaufmann gab im Göppinger Trikot mit vier Treffern schon mal einen Vorgeschmack seiner Wurfkraft - an der Beweglichkeit wird Vranjes mit ihm dagegen noch arbeiten müssen.

SG-Geschäftsführer Holger Kaiser sieht in den Neuverpflichtungen "ein großes Ausrufezeichen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der SG". Kaiser hat den Verein aus seiner größten Finanzkrise geführt, in die er durch schuldenfinanzierten Höhenflug geraten war, und setzt nun auf einen soliden Kurs, bei dem er in der kommenden Saison von Dierk Schmäschke unterstützt wird. Der kommt ausnahmsweise vom HSV nach Flensburg zurück.

"Mäzen-Clubs sind temporäre Erscheinungen", ist Kaiser überzeugt. Auch wenn die Flensburger in dieser Saison nicht ernsthaft an der neuen Hierarchie im deutschen Handball rütteln konnten - zu sicher sollten sich die Großen Vier aus Hamburg, Kiel, Berlin und Mannheim nicht fühlen. "Wir setzen die Kraft der Tradition und Region dagegen und werden wieder im Konzert der Großen mitspielen", so Kaiser.

Und beim Feiern lassen sich Flensburger sowieso nichts vormachen. Während in Hamburg selbst nach der Meisterschaft nur ein paar Glas Bier für die Mannschaft das Spielfeld erreichten, schiebt man in Flensburg auch nach Platz fünf eine komplette Zapfanlage aufs Parkett, vor der die Fans mit den Spielern anstoßen. Auch mit denen, die demnächst von Flens auf Astra umsteigen.

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