Bärbel Höhn über Joschka Fischer: "In der Summe hat er geholfen"
Die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn sieht ihre Partei auch ohne Fischer gut aufgestellt.
BÄRBEL HÖHN, 55, ist seit 1985 Mitglied der Grünen. 1995-2005 war sie Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen, seit 2005 ist sie Abgeordnete im Bundestag, seit 2006 Fraktionsvize.
taz: Frau Höhn, welchen Stellenwert hat Joschka Fischer heute bei den Grünen? Wird er oft erwähnt? Verflucht? Herbeigesehnt?
Bärbel Höhn: Die Partei hat sich ganz gut ohne ihn aufgestellt. In der Opposition muss man eine vollkommen andere Arbeit machen als in der Regierung. In der täglichen Arbeit kommt Joschka Fischer eigentlich nicht mehr vor.
Fischer warnt die Grünen vor einer Rückkehr zum "linken Protestprofil". Zu Recht?
Ich verstehe nicht, dass Joschka Fischer den Parteitag von Göttingen so vehement kritisiert. Die Entscheidung des Parteitags war nicht so fundamental, wie er das darstellt. Der wirklich "fundamentale" Antrag für den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan hat 10 Prozent der Stimmen in Göttingen bekommen. Der Antrag, der die Mehrheit bekam, spricht sich aber weiter auch für miliärische Präsenz zum Schutz des Wiederaufbaus in Afghanistan aus - aber er verlangt eben auch einen Strategiewechsel.
Trotzdem hat die grüne Spitze ihren Antrag nicht durchgebracht. So entstand der Eindruck, die Grünen sind führungslos. Und: Mit Fischer wäre das nicht passiert.
In der Opposition kann und muss man auch kritisch auf Fehlentwicklungen in Afghanistan hinweisen. Fischers Haltung, seine Position auch gegen den Willen der Partei durchzudrücken, wäre ihm zu Oppositionszeiten schwergefallen. Insofern glaube ich nicht, dass es mit Joschka Fischer in Göttingen anders gelaufen wäre.
Findet bei den Grünen derzeit die Aufarbeitung der Ära Fischer statt?
Nicht die Aufarbeitung der Ära Fischer, sondern der Regierungszeit. Weil wir in der Opposition keine rot-grünen Positionen vertreten, sondern grüne.
Summa summarum - hat Fischer den Grünen eher geholfen oder geschadet?
Er hat den Grünen in der Summe geholfen, weil er ein hochbegnadeter Politiker ist. Er hat den Grünen durch seine Bekanntheit geholfen und durch seine Fähigkeit, in schwierigen Regierungszeiten klare Positionen durchzuhalten.
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