■ BVG entscheidet über Rundfunkgebühren: Aufatmen wäre verfrüht
Lange hat sich das Bundesverfassungsgericht Zeit gelassen mit der Frage nach der Berechtigung der Rundfunkgebühren. Eigentlich sollte das Urteil als schriftlicher Entscheid ohne mündliche Verhandlung schon 1992 gefällt werden, doch dann dämmerte den Karlsruher Richtern, daß die Frage nach der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die medienpolitische und -juristische Kardinalfrage der 90er sein wird.
Seit gestern wissen wir vorläufig endgültig, daß Rundfunkfreiheit auch die finanzielle Autonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedeutet. Der Grundversorgungsauftrag bestimmt die Höhe der Gebühren.
Das Aufatmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist aber möglicherweise verfrüht. In der Definition des Grundversorgungsauftrages liegt der eigentliche Sprengstoff. Die Berechtigung von gleich fünf Hörfunkprogrammen der großen öffentlich- rechtlichen Sender wird schon an verschiedenen Stellen in Frage gestellt. Die Zusammenlegung von austauschbaren, durch regionale Eigenheiten kaum gerechtfertigte Musikwellen der ARD-Anstalten dürfte kaum dem Grundversorgungsauftrag widersprechen, aber Ressourcen einsparen.
Wenn sich aber die technischen Möglichkeiten der Hörfunk- und Fernsehausstrahlung in der kommenden Dekade so explosionsartig entwickeln, daß die Zuschauer ihr Bedürfnis nach politischer, Sport-, Klatsch- oder Kulturinformation am elektronischen Kiosk der privaten Anbieter zusammensuchen können (bis hin zum vielbeschworenen eigenen Kanal für Aquarianer), dann könnte das Postulat der Grundversorgung zusammenbrechen. Schließlich maßt sich das Bundesverfassungsgericht auch nicht an, den privatwirtschaftlichen Pressemarkt zu regulieren. Dies zur vorläufigen Endgültigkeit.
Immerhin: Medienpolitik über den Gebührenstaatsvertrag der Bundesländer wird nun wesentlich schwieriger werden. Parlamente und Landesregierungen werden künftig nur noch vollziehendes Organ einer unabhängigeren, nun rechtlich abzusichernden „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) sein.
Nicht durchgekommen sind übrigens die eigentlichen Kläger, die bayrischen Grünen. Sie hatten die Berechtigung des sogenannten Kabelgroschens, eines Zuschlags auf die Rundfunkgebühr, die sich heute in einer Zwei-Prozent-Abgabe zur Finanzierung der Privatfunkaufseher von den Landesrundfunkanstalten fortsetzt, angefochten.
Ob das Karlsruher Urteil letztlich auch den in Rede stehenden Technologiezuschlag, der auch den Privaten nützlich sein könnte, nach sich zieht, wird sich zeigen müssen. Jürgen Bischoff
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