BVG VERSUS RADLER : Dann ruf sie doch!
„Das ist meine Linie.“ Wütend schaut der Radler dem Busfahrer ins Gesicht. „Dreh dich doch mal um, dann siehst du deine Linie“, entgegnet der. „Du hast doch ’ne Meise“, schnauzt der etwa 50-Jährige mit dem Radhelm. „Ich ruf jetzt die Polizei“, blafft der Buslenker zurück.
Ein Dialog, wie er jeden Tag gefühlt tausend Mal geführt wird: Ein Busfahrer will an einem grünen Pfeil rechts abbiegen, ein Radfahrer steht weit in der Kreuzung. Mit einem Unterschied: Eigentlich suchen sich Busfahrer meist wehrlose Opfer aus, Touristen etwa oder Zugezogene, erkennbar an der Kleidung oder am Dialekt. An denen können sie dann ihren berüchtigten Humor ausprobieren. Doch bei diesem Zusammentreffen nahe dem Alexanderplatz berlinern beide Protagonisten heftig, und sie schenken sich naturgegebenermaßen nichts. Ein Kampf der eingeborenen Titanen.
Vielleicht hat der BVG-Mitarbeiter seinen Gegner unterschätzt. Kurz hatte er gezögert, bevor er mitten im Abbiegen den Bus stoppte und die Tür öffnete. Dann war es zu spät. Dummerweise, und das scheint der Mann hinter dem Lenkrad nach und nach zu realisieren, hat der etwa 50-Jährige mit dem prolligen Mountainbike recht: Er steht diesseits des Streifens, der das Ende der Radfahrerzone markiert – beim Rechtsabbiegen kommen sich Bus und Radler trotzdem gefährlich nahe.
Von den umstehenden Radfahrern, die auf Grün warten, erhält der Mann keine Unterstützung. Vielleicht sind es, hier an den südlichen Ausläufern des Prenzlauer Bergs, Zugezogene. Oder sie wollen sich einfach nicht den Morgen mit einer Überdosis Adrenalin verderben. Den Streit verfolgen sie dennoch aufmerksam. Wie wird der Radler auf die Polizei-Drohung reagieren? „Dann ruf sie doch!“, entgegnet er lässig-wütend. Der Busfahrer schweigt und lässt alle Radler passieren. Inzwischen ist es Grün geworden. BERT SCHULZ