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Archiv-Artikel

BUSH VERSCHÄRFT DAS ABTREIBUNGSRECHT – DOCH ER BLEIBT PRAGMATIKER Extreme Politik geht nicht auf

Die Rechtskonservativen in den USA jubeln. Mit der Unterschrift von George W. Bush unter das vom Kongress beschlossene Bundesgesetz sind seit Mittwoch späte Schwangerschaftsabbrüche verboten, das Abtreibungsrecht wurde damit verschärft. Doch ist Bush damit endgültig zum Vollstrecker des rechten Flügels der Republikaner und der religiösen Scharfmacher aus dem Süden geworden? Ja – und nein.

Was die Abtreibungsfrage betrifft, hat Bush der christlich-rechten Klientel einen Grund mehr gegeben, ihn 2004 wieder zu wählen. Sie frohlockt, weil sie nun ein völliges Verbot für möglich hält. Doch hier irrt sie. Bush lehnt Abtreibungen zwar ab, ist aber kein politischer Selbstmörder. Er hat angekündigt, dass er das Recht auf Abtreibung nicht abschaffen wird. Der Pragmatiker weiß, dass dies in den USA nicht mehrheitsfähig wäre.

Das neue Gesetz ist zudem nicht in Stein gemeißelt und wird bereits ausgehöhlt. Der Bundesstaat Nebraska hat es auf seinem Hoheitsgebiet außer Kraft gesetzt, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die neue Regelung demnächst vor dem Obersten Gerichtshof in Washington landet. Möglicherweise siegt hier Recht vor Ideologie, da die obersten Verfassungshüter vor drei Jahren ein ähnliches Gesetz auf Bundesstaatenebene als verfassungswidrig zurückgewiesen hatten. Die religösen Eiferer zwischen Alabama und Texas müssen also noch etwas warten, bis sie die Sektkorken knallen lassen.

Dennoch: Die Radikalenfraktion der Republikaner kann bislang mit ihrem Präsidenten zufrieden sein. Er hat ihnen die größte Steuersenkung aller Zeiten geschenkt, ihren Wunschkrieg geführt und den Umweltschutz für nichtig erklärt. Das eine extreme Politik aber nicht immer aufgeht, zeigen die letztgenannten Beispiele. Den „Realpolitikern“ unter den Republikanern wird bei dem Gedanken an den Guerillakrieg im Irak immer mulmiger. Und im Mittleren Westen macht ausgerechnet die mächtige Waffenlobby gegen Bushs Pläne mobil, in Naturreservaten nach Öl zu bohren. Der weiße Mann will seine Jagdfreude schließlich nicht von Bohrtürmen trüben lassen. MICHAEL STRECK