BUCHWEIZENBREI IST RUSSLANDS NÄHRENDE MUTTER : Tadschikische Würze
VON KLAUS-HELGE DONATH
Für jeden Kunden hat Israel Karimow ein liebenswürdiges Lächeln und ein paar freundliche Worte parat. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. In der muffeligen Welt russischer Dienstleister ist Freundlichkeit indes eine seltene Gabe. Dem Kunden haftet der Nimbus eines Störenfrieds an.
Im Imbiss des 24-Jährigen aus Pendschikent in Tadschikistan ist der Gast nach östlichem Brauch jedoch König. Das bistro liegt neben der pulsierenden Metrostation Leninskij Prospekt im Moskauer Zentrum und hat rund um die Uhr geöffnet. Tagsüber gehören vor allem Schüler zur Laufkundschaft. Aber auch Ordnungshüter schauen regelmäßig vorbei. Auf eine Tasse Kaffee mit usbekischer Teigtasche Samsan oder georgischen Tschebureki. Gastarbaiter haben es in der fremdenfeindlichen Atmosphäre nicht leicht. Behörden und Miliz müssen mit Bakschisch wohlgestimmt werden. Inzwischen besitzt Israel, der nach dem Schulabschluss mit der Mutter nach Moskau kam, einen russischen Pass. „Wer selbstständig sein will, sollte die Staatsbürgerschaft haben“, schmunzelt Israel, der seiner Mutter stets beim Kochen zuschaute. Noch ist er Pächter, er möchte aber bald ein eigenes Restaurant mit tadschikischen Nationalgerichten eröffnen.
Im Imbiss verkauft sich Schaurma am besten, das sich vom arabischen Schawarma ableitet. Hinter dem verheißungsvollen Klang verbirgt sich ein gewöhnlicher Döner. Der umtriebige Geschäftsmann passt das Drehfleisch jedoch russischem Geschmack an. „Buchweizenbrei ist unsere nährende Mutter, den Magen quält er nicht wie Pfeffer“, heißt es in einem russischen Sprichwort. Je fader ein Mahl, desto mehr mundet es. Die heimische Küche fürchtet Gewürze. Schon beim Salz spart sie. Auf Schärfe reagiert die Zunge mit hypochondrischer Sensibilität. Eine Empfindlichkeit, die ein Reflex auf den zehrenden russischen Alltag sein könnte.
Israel schneidet Schaurma vom Spieß. Vor ihm liegt Lawasch, hauchdünnes Brot nach armenischer Backart. Bevor er Fleisch in den Teiglappen rollt, bestreicht er ihn mit vier gehäuften Esslöffeln Mayonnaise. Dann wird der Lappen aufgewärmt und mit der Spitze noch mal in Mayonnaise getunkt, das Glutamat der nationalen Küche. Wer es gerne etwas mehr po domaschnemu – nach Mutternart – hätte, dem streut er noch einige Löffel Dill auf den Mayonnaiseguss, ein Muss russischer Küche. Schaurma à la russe kostet 2,20 Euro. Lächeln gibt es umsonst.