BONN APART: Krause, Alaaf!
■ Für den Minister ein Orden wider den tierischen Schwachsinn
Bis zu den Landtagswahlen am 5.April wolle er keine „ideologiebefrachteten“ Themen mehr behandeln, kündigte Kanzler Kohl zu Beginn der närrischen Woche und begab sich unter die Jecken. Nachdem man 1991 wegen des Golfkrieges „leider“ auf dieses Vergnügen habe verzichten müssen, gebe es in diesem Jahr „überhaupt keinen Grund“, nicht kräftig und unbeschwert zu feiern. So wenig hat Karneval mit Ideologie zu tun.
Ähnlich wie am 1. April ist es auch während der Bonner Karnevalswoche nicht immer einfach, ernsthafte Mitteilungen von Scherzen zu unterscheiden. Versuchen Sie es einmal selber anhand folgender drei Meldungen aus dem Verkehrsbereich:
1)Offenbar aus Sorge, die von ihm geplanten neuen Autobahnen und Fernstraßen könnten nicht ausgelastet werden, hat der Bundesverkehrsminister laut 'VDI-Nachrichten‘ vor einer „Schienennutzungseuphorie gewarnt“. Aus einem Interview zitiert das Organ des „Vereins Deutscher Ingenieure“ den Minister mit den Worten: „Wenn auf Grund größeren Rückgriffs auf öffentliche Verkehrsmittel die Bahn die Zugfrequenzen erhöhen muß, steigt der Schienenverschleiß überproportional.“
2)Mit seinem Beton-Charme hat Krause jetzt auch den saarländischen Umweltminister Jo Leinen eingefangen. Bei einem Treffen in Bonn stimmte der ehemalige Vorsitzende des „Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz“ Krauses Plänen für den „möglichst baldigen Ausbau“ der Autobahn A8 bis zur luxemburgischen Grenze zu. Da eine „Finanzierung aus der dem Saarland zustehenden Quote für Bundesfernstraßenmittel derzeit wirtschaftlich vertretbar“ sei, soll Leinen im Saarbrückener Kabinett einen Beschluß über die Privatfinanzierung der Autobahn herbeiführen.
3)Das Bundesforschungsministerium hat ein Projekt „Stauforschung 2000“ eingeleitet. Zur Vorstellung erster Ergebnisse durch Professor D. Harald Noelle-Staumeyer von der „Akademie für Stauwirkungs-und Staufolgenforschung“ in Berlin lud der Oberstaudirektor des Ministeriums diese Woche die Bonner Journalisten ein.
Alles Karnevalsscherze? Leider nur die dritte Meldung. Andreas Zumach
PS: Die Mainzer Karnevalisten erhielten wegen der golfkriegsbedingten Einnahmeausfälle im Vorjahr zur „Entschädigung“ mehrere hunderttausend Mark aus einem EG-Topf — innerhalb von sechs Wochen nach Antragstellung. 50.000 aus demselben Topf beantragt haben die VeranstalterInnen einer Konferenz kirchlicher „Dritt- Welt-Gruppen“ aus ganz Europa zum 500. Jahrestag der Kolonisation Anfang Juni in Straßburg. Sie warten seit Monaten auf einen Bescheid.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen