BND-SCHNÜFFELSKANDAL: GEHEIMNIS GEHT ÜBER DEMOKRATIE : Große Koalition der Vertuscher
Falls der Bundesregierung tatsächlich daran gelegen ist, dass die Nachrichtendienste weiterhin ihre Arbeit tun können, dann müsste sie alles tun, um rechtswidrige Praktiken offen zu legen. Tut sie aber nicht. Vielmehr verfährt sie nach dem Prinzip: Mir san mir – und mir san die Mehrern. Wer seine Muskeln so spielen lässt, dem geht es nie um die Sache. Sondern immer nur darum, die eigene Stärke zu demonstrieren.
Gegen den Willen der Opposition ist die gestrige Sitzung des parlamentarischen Innenausschusses als „geheim“ eingestuft worden, in der es um die rechtswidrige Bespitzelung von Journalisten durch den BND ging. Diese Einstufung hat nur eine einzige Wirkung: Sie bestätigt den Verdacht, die Regierung wolle die Affäre nicht aufklären, sondern vertuschen. Die Ankündigung der Opposition, nun den Auftrag des BND-Untersuchungsausschusses um den Medienskandal zu erweitern, ist eine zwingende Konsequenz daraus.
Kontrolle ist lästig und verzögert Entscheidungen. Nicht nur dann, wenn es um Geheimdienste geht. Jede Schulleiterin und jeder Manager kann ein Lied davon singen. Aber es ist eben nicht die vorrangige Aufgabe von Kontrollorganen, Abläufe zu vereinfachen, sondern Macht zu begrenzen und Missbrauch zu verhindern. In Zeiten einer großen Koalition scheint das besonders nötig zu sein.
Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl hält die Arbeit von Nachrichtendiensten für grundsätzlich gefährdet, sollten Details einer rechtswidrigen Praxis öffentlich bekannt werden. Präziser hätte er nicht ausdrücken können, welchem Gut er den höheren Stellenwert einräumt: der Demokratie oder der so genannten nationalen Sicherheit. Das ist für einen gewählten Abgeordneten eine erstaunliche Weltsicht.
Wenn die Qualitäten der Demokratie gerühmt werden, dann gehört Effizienz nicht dazu. Demokratie ist zeitraubend und macht viel Arbeit. Hat aber gegenüber einer Diktatur andere Vorzüge. Immer häufiger erweckt die Regierung den Eindruck, dass sie gerne selbst entscheiden möchte, was der öffentlichen Kontrolle unterliegt und was nicht. Das ist Hybris. Und die ist gefährlicher, als jede Indiskretion es sein könnte. BETTINA GAUS