BETTINA GAUS über FERNSEHEN : Eine Branche schmeißt sich weg
Neue Fernsehformate sind mittlerweile schneller eingestellt als ausgestrahlt. Die Sender wollen Gewinn ohne Einsatz
Die Hoffnungen, die in Anke Engelke gesetzt worden waren, müssen groß gewesen sein. Volle fünf Monate hat Sat.1 ihr eingeräumt, um zur nationalen Institution zu werden. Fünf Monate! Eine Ewigkeit! Über die Hälfte einer Schwangerschaft ist danach vorbei, und sogar Trainer des bekannt langfristig planenden Fußballvereins Schalke 04 sind gut beraten, sich mal vorsichtig umzuhören, ob demnächst irgendwo ein Job frei wird.
Fünf Monate: Wenn eine Late-Night-Talkerin nach diesem Zeitraum immer noch nicht unersetzlich geworden ist für die Republik, dann wird das wohl nichts mehr. Also tjüs. Ach ja: und natürlich – danke, Anke.
Man hätte es wissen können, nicht nur, weil Rudi Carrell – öffentlich und gewohnt kollegial – sofort freudig erregt ihr Scheitern prophezeite. Sondern vor allem deshalb, weil Anke Engelke schon vor dem Start ihrer Sendung bewies, dass sie Novellierungen der Branchengesetze nicht mitbekommen hatte. „Das erste halbe Jahr wird ganz, ganz bitter“, erklärte sie und ließ damit erkennen, dass sie glaubte, diese Zeit zu haben. Ein halbes Jahr! Also wirklich! Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Vor allem mit lustig.
Wie andere Hoffnungsträger des deutschen Fernsehens viel schneller lernten. Der 26-jährige Sebastian Deyle erfährt in diesen Tagen, dass man bereits in jungen Jahren zum alten Eisen gehören kann. Seine ARD-Show „Für dich tu ich alles“ blieb hinter den Erwartungen zurück und wurde schleunigst abgesetzt.
Manche erinnern sich vielleicht noch, wie rotzig Deyle seinen – vor allem bei Älteren populären – Vorgänger Max Schautzer abgemeiert hatte, von dem er die Sendung „Immer wieder sonntags“ übernommen hat. Schautzer war dem Wunsch zum Opfer gefallen, die Show zu „verjüngen“, und er hatte sich dagegen (ungewöhnlicherweise) öffentlich gewehrt. Deyle schlug zurück: „Das ist doch alles keine Frage des Alters. Wichtig ist allein die Frage: Ist jemand gut oder ist jemand nicht gut?“ Vermutlich hat er Recht. Die Frage scheint nun, zumindest im Blick auf seine eigene Person, beantwortet zu sein.
„Hire or Fire“ lief bei Pro 7 ein einziges Mal über den Bildschirm. Ausgerechnet der legendäre Produzent John de Mol floppte mit dem Versuch, das Bewerbungsverfahren für einen attraktiven Job vor laufender Kamera stattfinden zu lassen. Immerhin: Der erste Teil der geplanten Serie wurde noch gezeigt. Ließen sich solche Fehler nicht vermeiden? Sollte man es nicht zur Regel machen, künftig neue Formate lediglich aufzuzeichnen, um sie danach sofort wegzuschmeißen? Das wäre ein innovativer Beitrag zur Effizienzsteigerung.
Zumal der Versuch, das Fernsehen weiterzuentwickeln, doch offenbar nicht glücken kann. „Die Zuschauer wollen althergebrachte Konzepte, die sie lieben“, erklärt ARD-Programmdirektor Günter Struve. Das ist vermutlich wahr. Allerdings bleiben ein paar Fragen offen: Spricht Struve auch von der Altersgruppe der werberelevanten 14-Jährigen? Falls ja: Wann haben die „althergebrachte“ Konzepte kennen und lieben gelernt? Und wie viel Zeit wird dem Publikum – reden wir mal ausnahmsweise nicht von den Protagonisten – eingeräumt, um sich an neue Konzepte so zu gewöhnen, dass sie irgendwann als „althergebracht“ gelten können?
Die New Economy versprach schnellen Gewinn bei geringem Einsatz. Die Öffentlichkeit hat – schmerzhaft – erkannt, dass dies nicht funktioniert. Wann können sich selbst Fernsehproduzenten dieser Erkenntnis nicht mehr verschließen? Manche Sendungen sind auch dann noch Schrott, wenn sie fünf Jahre laufen. Aber welche? Gewinn ohne Einsatz: Das funktioniert im Computerspiel besser als im TV-Programm. Die Programmverantwortlichen brauchen sich nicht zu wundern, wenn ihnen die Zuschauer davonlaufen.
Die Frage, welchen Formaten man ein längeres Leben gewünscht hätte, folgt nicht allein rationalen Kriterien. Sondern auch – vermuteten – Sym- und Antipathien. Anke Engelke ist wahrscheinlich ganz einfach nett. Sebastian Deyle nicht.
Fragen zum Format-Tod? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt KLATSCH