BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN : Krieg ist Krieg
Auch neue Gedanken können blöd sein. Zum Beispiel der, dass es egal ist, ob der Verteidigungsminister die Vorgänge in Afghanistan einen Krieg nennt
Ob Krieg grundsätzlich als Geißel der Menschheit betrachtet werden muss oder ob es süß und ehrenvoll sein kann, für das Vaterland zu sterben, darüber ist schon so oft gestritten worden, dass eine gänzlich neue Position lange nur schwer vorstellbar war. Was allerdings nur für einen Mangel an Fantasie spricht. Es gibt diese neue Position. Sie besagt, es sei egal, ob sich das eigene Land im Krieg befinde oder nicht.
Namhafte deutsche Publizisten vertreten diese Ansicht und offenbar auch ein großer Teil der Bevölkerung. Sonst käme Verteidigungsminister Franz Josef Jung nicht durch mit seiner beharrlichen Weigerung, die Vorgänge in Afghanistan als einen Krieg zu bezeichnen.
Zu zweierlei könne Galilei nicht nein sagen, schrieb Bertolt Brecht: zu altem Wein und einem neuen Gedanken. Schöner Satz. Ich hätte gern, dass man das auch über mich sagt. Aber die Diskussion über Afghanistan hat mir gezeigt, dass ich zumindest einem neuen Gedanken leider durchaus widerstehen kann. Er muss nur blöd genug sein.
Die Definition des Konflikts am Hindukusch ist nicht irrelevant. Das ist keine Ansichtssache, das ist ein Tatsache. Die Definition wirkt sich auf die Kommandostruktur aus, auf den Rechtsstatus der Soldaten und auf den Umgang mit den Feinden. Den Feinden? Ja, natürlich. Welche andere Bezeichnung wäre angemessen für Leute, die man glaubt, rechtens bombardieren zu dürfen? Am Mittwoch ist es 60 Jahre her, dass die Genfer Konventionen unterzeichnet wurden. Sie sind die wichtigsten Grundlagen für das humanitäre Kriegsvölkerrecht, und sie sollen – unter anderem – den Schutz der Zivilbevölkerung und die Stellung von Kriegsgefangenen sichern. Die Konventionen sind sorgfältig formuliert. Was die Autoren wohl nicht für möglich gehalten haben: dass künftige Generationen den Kriegszustand gänzlich leugnen würden.
Sie hätten es wissen können. Die belgische Historikerin Anne Morelli veröffentlichte vor einigen Jahren ein Buch: „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“. Sie lehnte sich an Erkenntnisse des britischen Pazifisten Lord Arthur Ponsonby aus dem Ersten Weltkrieg an. Ja, aus dem Ersten Weltkrieg. Einige Kapitelüberschriften: „Der Feind hat dämonische Züge“ – „Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele“ – „Der Feind verwendet unerlaubte Waffen“. Klingt das vertraut? Doch, das klingt vertraut.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier