BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN : Nichts Gutes, in Gottes Namen
In Kenia kann man beobachten, wie christliche Fundamentalisten gegen religiöse Toleranz kämpfen
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein säkularer Staat. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Glaubensfragen für eine Privatsache, den Anspruch auf religiöse Toleranz hingegen für ein Grundrecht. Oder etwa nicht? Na ja. Was glauben Sie, wie viele Deutsche in einer Meinungsumfrage spontan der Einschätzung zustimmen würden, dass islamische Gerichte grundsätzlich die Menschenrechte verletzen? Und dass die christlichen Kirchen – nein, es geht hier nicht um Missbrauch – sich wenigstens im Regelfall der Verletzung von Menschenrechten und Diskriminierung in den Weg stellen? Sehen Sie.
Nichts sitzt so tief wie die Überzeugung, man wisse genau, wo die Guten und wo die Bösen zu finden sind. Wer sich darin nicht beirren lassen möchte, sollte Reisen in bestimmte Länder vermeiden oder wenigstens im Ausland keine Zeitungen lesen. In Kenia, beispielsweise. Dort haben politische und ökonomische Konflikte, die ethnisch verbrämt wurden, in den letzten Jahren Hunderte von Todesopfern gefordert. Jetzt soll in einem Referendum ein Entwurf für eine neue Verfassung gebilligt werden, auf den sich politische Gegner nach jahrelangem Streit geeinigt haben. Die Bevölkerung atmet auf, denn die Macht der Politiker würde künftig begrenzt – und ihre Möglichkeiten, Gewalt zu schüren.
Die Chancen für einen Neuanfang stehen gut. Es sei denn, christliche Fundamentalisten setzen sich durch. Die rufen jetzt zum Widerstand gegen den Verfassungsentwurf auf. Wie schon bisher sollen Abtreibungen in Kenia nämlich weiterhin erlaubt sein, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Und die Abschaffung der islamischen Familiengerichte ist auch nicht geplant. Seit der Unabhängigkeit können die anstelle ziviler Gerichte angerufen werden – vorausgesetzt, alle Streitparteien wünschen das.
Anders ausgedrückt: Manches soll bleiben, wie es ist. Das nennen die Kirchenfürsten eine Bevorzugung der Muslime, die etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Geld für ihren heiligen Krieg bekommen die Fundamentalisten von rechtsgerichteten Evangelikalen aus den USA. An der Spitze der Bewegung steht der Fernsehprediger Pat Robertson. Das ist der Mann, der das Erdbeben in Haiti damit erklärt hat, dass das Land Ende des 18. Jahrhunderts einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe.
Leute, die wissen, dass ich mich in Kenia ganz gut auskenne, fragen mich gelegentlich besorgt, ob die islamische Minderheit dort eine Bedrohung für Frieden und Stabilität darstelle. Nein, das tut sie nicht. Die nicht.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz. Gerade wurde sie mit dem Medienpreis der Gesellschaft für deutsche Sprache ausgezeichnet. Foto: A. Losier