BERLUSCONI DARF SICH SEINE RICHTER DOCH NICHT AUSSUCHEN : Italiens Justiz noch nicht an der Kette
Das war eine Schlappe für Berlusconi. Da predigt er seit Jahren landauf, landab, Richter und Staatsanwälte seien ja eigentlich brave Leute – nur eben die in Mailand nicht. Die, die ihn seit Jahren mit Prozessen terrorisieren. Die, die ihn womöglich schon im Sommer zu einer Haftstrafe verurteilen. Die seien Stalinisten, ferngesteuert aus linken Parteizentralen. Doch jetzt bescheinigten auch die braven Richter vom Kassationsgericht dem Ministerpräsidenten, dass er für seine üblen Anwürfe jeden Beweis schuldig geblieben ist. Das Verfahren bleibt in Mailand und wird nicht an einen Berlusconi gefälligeren Ort verlegt.
Das höchste italienische Berufungsgericht in Rom musste wissen, worauf es sich da einlässt. Als „Kommunisten“ hat Berlusconi ja nicht nur die Mailänder Richter gegeißelt, sondern schon die halbe Welt. Auch so unverdächtige Blätter wie der Economist, die Financial Times oder Le Monde mussten sich wegen Berlusconi-kritischer Töne schon in die rote Weltverschwörung einreihen lassen. Und „Rot“ ist jetzt eben auch die gesamte Justiz im Lande einschließlich des Kassationsgerichtes. Das wäre lachhaft, wenn da ein gewöhnlicher Angeklagter seine Wut abließe.
Nicht so lachhaft ist es, wenn der Angeklagte Berlusconi heißt. Sein Verfahren ist einfach. Als größter Medienunternehmer kann er die Meinung machen: Auf allen seinen Kanälen, in allen seinen Gazetten lässt Berlusconi gegen die „politisierte Justiz“ trommeln. Als Regierungschef mit satter Koalitionsmehrheit kann er dann gleich den selbst erteilten Auftrag der „öffentlichen Meinung“ in Politik umsetzen und neue, zum Verlauf der eigenen Prozesse passende Gesetze verabschieden lassen.
Diesmal ist es schief gegangen. Berlusconi wird das nicht entmutigen. Stattdessen startet er zum Generalangriff: Eine umfassende Justiz-„Reform“ ist jetzt das offen erklärte Ziel. Und wenn Berlusconi doch verurteilt wird? Dann gibt es eben Neuwahlen. Die wären beim gewünschten Verlauf ein Plebiszit gegen die aufmüpfigen Richter – und ein unwidersprechliches Ja zum frisch verknackten Premier. MICHAEL BRAUN