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Archiv-Artikel

BERLINER PLATTEN Tanzmusik, für den Club und für daheim: Luomo ist dabei aus dem House heraus beim Pop gelandet, während Dinky einfach die gerechte Welt entwirft

Das war ja abzusehen: dass Sasu Ripatti alias Vladislav Delay alias Sistol alias Uusitalo alias Conoco alias Luomo, der unter all seinen Pseudonymen beständig die Grenzen von House Music hinausschob, irgendwann endgültig beim Pop landen würde. Mit „Convivial“, seinem vierten Album als Luomo, ist es nun vollbracht. Dazu hat sich der schon seit Jahren in Berlin lebende Finne einen Haufen zum Teil illustrer Gäste eingeladen, die die Stimme erheben. Neben eher Insidern bekannten Namen wie Johanna Iivainen (mit der Ripatti schon seit Jahren kollaboriert), Cassy (DJane in der Panorama Bar), Robert Owens (die Stimme einiger der legendärsten House- Produktionen aus dem klassischen Chicago) oder Sascha Ring (als Apparat einer der besten Produzenten hierzulande) sticht vor allem Jake Shears von den Scissor Sisters heraus. Dem ausgerechnet hat Ripatti allerdings einen eher traditionsbewussten, hypnotischen Track ohne eingängige Hookline programmiert, der eher für den Club tauglich ist als für einen Einsatz im Radio.

Ansonsten verabschiedet sich Luomo zwar nicht vom Tanzboden, aber orientiert sich doch bisweilen sehr deutlich an eher traditionellen Songstrukturen. Das funkige „Nothing Goes Away“ könnte man sich wohl auch auf einem Album von Kylie Minogue vorstellen, während „Love You All“ von Stimmung und Melodieführung an Depeche Mode erinnert. So hängt „Convivial“ zwar etwas zwischen den Stühlen, ist dadurch aber auch eine gute Möglichkeit zum Einstieg ins Klanguniversum von Ripatti. Der versteht es immer noch wie kaum ein anderer, seine Maschinen immer maschinell und doch zugleich organisch klingen zu lassen. Jeder Track erfüllt tapfer seine Funktion als Rhythmusgeber für zuckende Leiber, aber zwischen den hektisch flatternden Rhythmen tun sich immer wieder unerwartet weitläufige Klangräume auf, in denen der Geist entspannt spazieren gehen kann.

Ganz ähnlich funktioniert auch „May Be Later“ von Dinky – wenn auch mit einem grundsätzlichen Unterschied. Stimmen setzt die gebürtige Chilenin Alejandra Iglesias (ganz und gar nicht verwandt mit dem Schnulzensänger-Clan), die Frau hinter dem Pseudonym, auf ihrem dritten Album nur in Fetzen ein und mit allen Mitteln der Produzentenkunst bearbeitet. Neigte man zur Überinterpretation, was wir hier natürlich nicht tun, könnte man die langen, rhythmisch strengen Tracks der studierten Tänzerin auch deuten als Abgesang auf den Menschen als Zentrum der Schöpfung. Denn wie aus einer von den Maschinen beherrschten Zwischenwelt melden sich die Gesangs-Samples, ungeduldig quengelnde, trotzdem leicht zu überhörende Wortmeldungen aus harmonischen, glücklicheren Zusammenhängen. Die Stücke der Wahlberlinerin sind unüberhörbar geprägt von ihren Wurzeln im House und Techno, aber entwickeln doch längst eine eigene Qualität: Die Technologie, von Exaktheit geprägt, gerecht und doch liebevoll, hat die Herrschaft übernommen.

Doch das ist beileibe kein Grund zur Trauer: Es ist eine bessere Welt, die hier entworfen wird. THOMAS WINKLER

Luomo: „Convivial“ (Huume/Alive), 17. 1. Panorama Bar

Dinky: „May Be Later“ (Vakant/Rough Trade), 11. 1. Panorama Bar